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Zeitungschronik – Februar 2023

3. Feb.: „Der Verkehrsdezernent der Eisenbahndirektion Essen, Herr Regierungsrat Rudolf Meyer von hier, ist verhaftet, unter starker Bewaffnung mit Lastwagenauto fortgebracht und ausgewiesen worden. Herr Regierungsrat Meyer ist bei seiner Mutter hier eingetroffen und erklärt, von uns befragt, zur allgemeinen Lage folgenden: Die Verhältnisse im Ruhrgebiet haben sich in den letzten Tagen sehr zugespitzt. (…) Bei der Vernehmung vor dem kommandierenden General in Bredeney in Essen legte man mir u.a. zur Last, daß ich den Befehl des Reichsverkehrsministers im Eisenbahndirektionsbezirk Essen allgemein bekannt gegeben habe, wonach die Umleitung von Kohlenzügen nach Belgien und frankreich verboten ist. (…) Mir (wurde) der schriftliche Ausweisungsbefehl ausgehändigt. Unter starker Bedeckung ging es dann mit einigen Leidensgefährten im Lastkraftwagen (…) dem unbesetzten Gebiete zu, wo wir (…) in Olfen bei Lüdinghausen auf der Landstraße abgesetzt wurden.“ (LV)

3. Feb.: „Am Sonntag, 11. Febr. wird die theater-Abteilung des kath. Arbeiter-Vereins im Bahnhofshotel W. Nave das große Drama ‚Volk in Not‘ aufführen. Dieses Drama zeigt uns ein Bild aus den Freiheitskämpfen der Tiroler gegen ihre Unterdrücker, die Franzosen. (…) Der Reingewinn soll unserm ‚Volk in Not‘ im Ruhrgebiet zugewiesen werden.“ (LW)

6. Feb.: Wie uns mitgeteilt wird, hat der ‚Jüdische Verein für Wohltätigkeit Lingen‘ für die ‚Ruhrhilfe‘ der Kämmereikasse Mk. 100.000.-, die von den Mitgliedern für diesen Zweck gezeichnet wurden, überwiesen.“ (LW)

7. Feb.: „Für die Sammlung „Ruhrhilfe“ wurden bei der hiesigen Kreissparkasse von verschiedenen hochherzigen Gebern bereits über 2.200.000 Mk. gezeichnet.“ (LV)

7. Feb.: Bürgervorstehersitzung. (…) Es wurden die Milchpreise eingehend besprochen. Die Milch kostet hier z.Zt. 500 Mk. pro Liter, während z.B. in Berlin 388 Mk., in Osnabrück 244 Mk. bezahlt werden.“ (LV)

10. Feb.: „Gestern konnten bereits die ersten beiden Waggonladungen Lebensmittel, welche der Kreis für die Ruhrhilfe aufgebracht hat, ausrollen. Ein weiterer Waggon geht Ende der Woche von Freren aus ab.“ (LW/LV)

13. Feb.: „Durch die Geldentwertung sind wir gezwungen, weitere 10% der staatlichen Einkommenssteuer nach der Veranlagung von 1921 als Kirchensteuer zu erheben, sodaß wir im Ganzen 20% Steuern erheben müssen. Wir bitten unsere Gemeindemitglieder, die Summe bei der Kämmereikasse einzuzahlen. Der Kirchenvorstand der evg.-luth. Gemeinde“ (LW)

14. Feb.: „Die Israel. Gemeinde hier hat ihren Gefallenen eine Gedenktafel zur Anbringung in der Synagoge gewidmet, die augenblicklich im Schaufenster der Firma Siegmund Hanauer u. Co. ausgestellt ist.“ (LV)

14. Feb.: „Hanekenfähr, 10. Febr. Vor einigen Nächten war ein holländisches Schiff von seiner Liegestelle abgekomnmen und trieb rückwärts auf den Wehrrücken zu, so daß zwei Drittel der Hinterschiffslänge schon über dem Wehrrücken hervorstand. (…) Erst einem Beamten des Dortmund-Emskanals gelang es, mit Hilfe eines größeren Schleppdampfers den Schiffer und seine Familie aus der üblen Lage zu befreien.“ (LV)

14. Feb.: „Der hiesigen Polizei ist es gelungen, mehrere der kürzlich verübten Einbruchsdiebstähle (…) und Diebstähle von Fahrrädern aufzuklären. Die Täter und Hehler wurden ermittelt und größtenteils festgenommen.“ (LV)

14. Feb.: „Betr.: Markenbrot! Die großen Preis- und Lohnsteigerungen der letzten Zeit machen eine neue Erhöhung des Markenbrotpreises notwendig. Es kosten mit Wirkung vom 12. 2. 1923: 4 Pfund Graubrot 700 Mk., 4 Pfund Schwarzbrot 635 Mk., 1500 gr. Mischmehl 550 Mk., 1500 gr Roggenschrot 500 Mk.“ (LV)

15. Feb.: „Am Freitag voriger Woche wurde in einer Plenarversammlung mit allen gegen 2 Stimmen der Vertragsabschluß zwischen der Stadt und der ‚Luk‘ (Aktiengesellschaft für Licht und Kraft, München) getätigt und damit das ‚Kraftwerk Emsland G.m.b.H.‘ errichtet. Nach jahrelangen fruchtlosen Verhandlungen über die verschiedensten Projekte ist es nun doch zustande gekommen – das Elektrizitätswerk Haneken. (…) Ist für die lange Verzögerung der angelegenheit jemand verantwortlich zu machen? Das ist eine Frage, deren Beantwortung heute noch offen bleibt, über die aber zur gegebenen Zeit noch ein sehr deutlich Wörtelein zu reden sein dürfte.“ (LW)

17. Feb.: „Ergebnis der Ruhrspende im Kreise Lingen. (…) Lingen: 3.857.628 Mark.“ (LW)

20. Feb.: „Am Sonntag, mittags 12 Uhr fand im Hotel Nave eine stark besuchte Protestversammlung gegen den Einbruch der Franzosen in das Ruhrgebiet statt, in welcher Herr Eisenbahnobersekretär Frantzen – Dortmund, ein gebürtiger Grafschafter, über das Thema: ‚Die Franzosen und der Wirtschaftskrieg im Ruhrgebiet‘ sprach. (…) Seine trefflichen Ausführungen gepfelten in einem Appell an die gesamte Bevölkerung der nichtbesetzten Gebiete, nun ihrerseits nicht zu erlahmen in der hilfsbereiten Unterstützung der um Deutschlands Recht kämpfenden Ruhrbevölkerung und dafür zu sorgen, daß den Franzosen die Aushungerung (…) erfolglos bleibe. Alle Deutschen ohne Unterschied von Partei und Stellung müßten jetzt zusammenstehen in der Abwehr gegen gallische Hab- und Rachsucht. (…) Reicher Beifall lohnte Herrn Frantzens Vortrag.“ (LW)

22. Feb.: „Das Finanzamt verlegte die Geschäftsräume der Umsatz- sowie Stempel- und Erbschaftssteuer-Abteilung nach Marienstraße – in das Gebäude des früheren Versorgungsamtes.“ (LW)

27. Feb.: „Lange hat der Verein für Volkstümliche Vorträge nichts von sich hören lassen. Es lag das an der Schwierigkeit derartiger Unternehmungen in der heutigen Zeit. (…) Am Donnerstag wird auf der Wilhelmshöhe Prof. Dr. Ettlinger über ‚Die Geheimnisse der Tierseele‘ reden. Es ist derselbe Herr, welcher im vorigen Jahre über Spiritismus und Okkultismus redete.“ (LW)

Aus dem Lingener Volksboten (LV) und dem Lingenschen Wochenblatt (LW). Die Zeitungen sind einsehbar im Stadtarchiv Lingen, Baccumer Str. 22, 49808 Lingen (Ems). www.stadtarchiv-lingen.de 



Artikeldatum: 3. Februar 2023
Fotos v.o.n.u.: © Stadtarchiv Lingen