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Geschichtlicher Abriss zum Kasernengelände

Das Kasernengelände ist der größte zusammenhängende Grundstückskomplex im Stadtteil Reuschberge. Ursprünglich war es wie fast ganz Reuschberge eine Sanddünenlandschaft - ähnlich der Geländeformation, die sich westlich der Ems bis Lohne erstreckt. Bewachsen mit Büschen und Niederwald diente sie vorrangig als Viehweide. Die einstigen Sanddünen sind der Grund für die Bezeichnung Reuschberge. Der Name Reusch erinnert an die früheren Besitzer dieses Gebiets, die adlige Familie von Reusch. Im Jahre 1679 heiratete Wolf Heinrich von Reusch die Erbtochter auf Haus Beversundern. Er kam damit in den Besitz des Hauses Beversundern, zu dem seit Jahrhunderten die wellige Heide- und Sandfläche längs der Ems zwischen seinem Adelssitz und Darme gehörte. Die Familie von Reusch war bis 1831 Besitzer von Reuschberge. In den folgenden Jahrzehnten besaßen zunächst der pensionierte Premierleutnant Giesselmann und der Wasserbauinspektor Tolle gemeinsam das Haus Beversundern, später der Kaufmann Vehmeyer in Haselünne. Im Jahre 1880 gingen Beversundern und die Reuschberge schließlich in den Besitz der Grafen von Galen über. Politisch gesehen waren die Reuschberge für die Stadt Lingen Jahrhunderte lang Ausland. Sie gehörten zum größten Teil zur Bauerschaft Darme im Fürstbistum Münster.

Die Besiedlung von Reuschberge vollzog sich in mehreren Etappen und spiegelt sich in den Straßennamen wieder. Der Langschmidtsweg erinnert an die Tuch- und Flanellweberei Langschmidt und Sohn, die 1826 am nördlichen Rand der Reuschberge am Mühlenbach auf Lingener Gebiet gegründet wurde. In ihrer Nachbarschaft siedelten sich auch einige Arbeiter an. Anfang Dezember 1907 brannte die Weberei nieder und wurde nicht wieder aufgebaut.

Der Name Teichstraße erinnert an die ehemalige Fischzuchtanstalt, die im Bereich der sog. Alten Ems von der Landwirtschaftskammer Hannover 1902 angelegt worden war und bis etwa 1950 bestand.
Die eigentlich Besiedlung von Reuschberge setzte jedoch erst Ende der 1920er Jahre ein. Initiator war Pastor Hilling, der damalige Pfarrer an der St. Bonifatiuskirche in Lingen. Die von ihm 1929 gegründete Bau- und Spargenossenschaft Lingen erwarb in Reuschberge ein Grundstück von knapp 6 Hektar, auf dem bis zum Jahr 1938 nicht weniger als 21 Häuser gebaut wurden. Kassierer dieser Genossenschaft war der Volkschullehrer Hermann Heuking. Zur Erinnerung an die Gründer dieser Siedlung gibt es heute die Gerhard-Hilling-Straße und die Hermann-Heuking-Straße.

Kaum waren die ersten Häuser der Siedlung entstanden, fand auch der Staat Interesse an der großen unbebauten Fläche zwischen Ems und Kanal. Als im Zuge der sog. Heeresvermehrung der Reichswehr die Stadt Lingen 1933/34 als Garnisonstadt ausgewählt wurde, einigten sich die Vertreter der Stadt und der Heeresverwaltung im Frühjahr 1934 darauf, dass die Kasernen für die in Lingen zu stationierenden Truppenteile - ein Infanterie-Bataillon und eine Artillerie-Abteilung - in Reuschberge erbaut werden sollten. Die für die Kasernenanlage vorgesehene Fläche von ca. 21 Hektar musste die Stadt kostenlos und lastenfrei der Heeresverwaltung übereignen. Da die Stadt Lingen in Reuschberge keine Grundstücke besaß, erwarb sie von Emanuel Graf von Galen 16 Hektar zum Preis von 31.000 RM und weitere 5 Hektar durch Tausch, indem sie dem Grafen ein der sog. Gasthauskasse gehörendes Grundstück übertrug.
Pläne, dass Lingen Garnisonsstadt werden sollte, muss es bereits in der Weimarer Zeit gegeben haben, wie auch Bemühungen von Seiten der Stadt Lingen aus der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg überliefert sind, mit denen man erreichen wollte, dass Truppeneinheiten nach Lingen verlegt würden. Man kann also nicht sagen, dass Bürgermeister Plesse und seine Nationalsozialisten es erreicht hätten, dass Lingen Garnisonsstadt wurde. Durch die nationalsozialistische Aufrüstungspolitik wurden die bereits vorhandenen Pläne, Truppeneinheiten in Lingen zu stationieren, lediglich beschleunigt. Der Bau der Kasernen lässt sich aus den Akten und aus Zeitungsartikeln ziemlich genau rekonstruieren. Im Herbst 1934 wurde das Gelände planiert und der vorhandene Busch- und Baumbestand entfernt. Erst damals erhielt das Kasernengelände sein ebenes Oberflächenprofil. Noch im Spätherbst 1934 wurde mit der Errichtung der ersten Bauten begonnen. In Lingen wurde eine Heeresneubauleitung eingerichtet, die dem Heeresbauamt Münster unterstand, aber relativ selbständig war. Am 23. März 1935 war Richtfest, am 3. Oktober 1935 fand die Einweihung statt. Die neue Kasernenanlage bestand aus 2 nebeneinander gelegenen, durch einen Drahtzaun getrennten Kasernen: der Walter-Flex-Kaserne für das 1. Bat. des Infanterie-Regiments 37 und die Scharnhorst-Kaserne für die 1. Abt. des Artillerie- Regiments 6. Das Infanterie-Bataillon war bereits im Oktober 1934 in Lingen eingetroffen. Es standen jedoch zunächst nur provisorische Unterkünfte auf dem Viehmarktgelände und beim Gastwirt Heinrich Neerschulte in Schepsdorf zur Verfügung. Die neuen Unterkünfte in der Walter-Flex-Kaserne wurden deshalb von den Infanterie-Soldaten bereits vor der offiziellen Einweihung bezogen.

Die Artillerie-Abteilung, die am Morgen des 3. Oktober 1935 von Minden kommend in Lingen eingetroffen war, bezog nach einem Begrüßungsappell auf dem Marktplatz ihre neuen Gebäude. Fertiggestellt waren am 3. Oktober 1935 in der Walter-Flex-Kaserne 4 dreistöckige Unterkunftsgebäude für die vier Kompanien, 2 zweistöckige Wirtschaftsgebäude und am Eingang das dreistöckige Stabsgebäude,in der Scharnhorst-Kaserne 3 dreistöckige Mannschaftsgebäude für die drei Batterien, ein Stabsgebäude, ein zweistöckiges Wirtschaftsgebäude sowie Stallgebäude und Reithallen für die Pferde.

Die Fotos von den Einweihungsfeierlichkeiten lassen erkennen, dass mehrere weitere Gebäude noch nicht fertiggestellt waren, dass Kipploren und Baumaterialien herumstanden. 1936 wurden außerhalb der Kasernen westlich der Gelgöskenstiege mehrere Gebäude erstellt, nämlich Heeresverpflegungsanlagen und die Standortverwaltung, bis 1938 dann auch noch die Heeresfachschule und die Standortschwimm- und badeanstalt.

Wie bereits erwähnt, gehörte das Kasernengelände zur Zeit des Erwerbs durch die Stadt Lingen zur Gemeinde Darme. Da man den Militärs nicht zumuten wollte, dass die Kasernen in einem Dorf lagen, wurde der gesamte Kasernenbereich nach Lingen eingemeindet. Lediglich der benachbarte Möddelhof blieb weiterhin bei Darme.

Nach dem Abschluss der Baumaßnahmen in den beiden Kasernen im Jahre 1938 waren etwa drei Viertel des Kasernengeländes mit Bauten und Übungsplätzen belegt. Eine Freifläche war lediglich im Norden des Kasernengeländes übrig geblieben. Dort wurden 1939 Barackenunterkünfte für die Ersatzeinheiten des Infanterie-Bataillons und der Artillerie-Abteilung eingerichtet. Sie bildeten gewissermaßen eine eigene Kaserne. Erstellt wurden 9 Mannschaftsbaracken und 2 Stabsbaracken, außerdem Wirtschaftsgebäude, Fahrzeughallen und Stallungen. Im heutigen Stadtplan ist dies das Gelände zwischen der Mühlenbachstraße und der Hirschberger Straße. Auf einer alliierten Luftaufnahme von 1944 sind diese Baracken gut zu erkennen. Der Bau der Kasernen in Reuschberge und die damit verbundene Stationierung von Truppeneinheiten in Lingen brachte vielfache Veränderungen und Neuerungen mit sich. Einige Aspekte sollen im folgenden kurz gestreift werden. Die Gelgöskenstiege wurde in Horst-Wessel-Straße umbenannt.

Die Drehbrücke über den Kanal war für die schweren Militärfahrzeuge und den zusätzlichen Verkehr zur Stadt und zum Bahnhof nicht mehr ausreichend. 1936 wurde eine neue Brücke über den Dortmund-Ems-Kanal gebaut.

Als 1935 die Erweiterung des St. Bonifatius-Hospitals anstand, war die Standortverwaltung ein wichtiger Befürworter der Baumaßnahme. Eine Grippeepidemie unter den Soldaten im Winter 1934/35 hatte den Bettenmangel eklatant aufgezeigt und zu unhaltbaren Zuständen geführt. Die Villa Windhoff, auch Haus Emshagen genannt, wurde Standortoffizierskasino. Die Wehrmachtssoldaten waren ein fester Bestandteil des geselligen Lebens in der Stadt.
1938 wurde im Schepsdorfer Wald eine Schießanlage für die Lingener Kasernen errichtet.

1943 und 1944 kam es dort zu Hinrichtungen von belgischen Widerstandskämpfern und luxemburgischen Geiseln.

Der Bau der Kasernen brachte auch neue Arbeitsplätze nach Lingen. An der Errichtung der Gebäude waren auch zahlreiche Lingener Handwerker beteiligt. In den Kasernen fanden auch Zivilisten eine Beschäftigung, z.B. als Hausmeister oder als Küchenpersonal.

Bei Kriegsbeginn wurden alle in Lingen stationierten Truppenteile in frontnahe Gebiete verlegt. Die Kasernen standen während des Krieges jedoch nicht leer. Unterschiedliche Ausbildungseinheiten und später auch Genesungskompanien waren hier untergebracht.

In den letzten Kriegsmonaten lagen in Lingen

  • Die 1. SS Reit- und Fahrschule, eine sog. Remonte-Einheit.
  • Unterführerlehrgänge des Wehrkreises X
  • und eine Abteilung ungarischer Honved-Soldaten mit ihren Angehörigen.

Bei Kriegsende 1945 wurde die verlassenen Vorratslager der Kasernen von der einheimischen Bevölkerung geplündert und die Kasernen von den englischen Truppen von Altenlingen aus erobert. Nach Kriegsende wurde bis Ende 1947 ein Teil der Kasernen als Unterkunft für Einheiten der britischen Besatzungstruppen genutzt. Überwiegend dienten die Kasernen jedoch als DP-Camp, als Lager für Displaced Persons (DPs), das heißt als Unterkunft für heimatlose Ausländer, die als Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene nach Deutschland verschleppt worden waren, wegen der politischen Entwicklung in Osteuropa aber nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten oder wollten. Bei den Engländern und den UN-Flüchtlingsorganisationen hatten die Kasernen auch andere Namen erhalten. In den Akten heißen sie Dover- und Essex-Kaserne.

Bis 1947 waren in den Kasernen vor allem polnische DPs untergebracht. Sie bauten dort ihre eigene Infrastruktur auf. Die deutschen Behörden hatten dort keinen Zugang. Das Lager war exterritorial und durch einen Schlagbaum mit Wache vom benachbarten deutschen Wohngebiet abgetrennt. Im Lager gab es eine eigene Schule, Kindergarten, Krankenhaus und Kirche.

Die Nutzung des nördlichen Kasernengeländes mit seinen Baracken war aber nicht das, was die Stadt Lingen und die Vertreter der Flüchtlinge und Vertriebenen eigentlich angestrebt hatten. Mehrfach hatte sich der Magistrat bemüht, in den Kasernen selbst Wohnraum zu bekommen, um die Wohnungsnot in der Stadt zu lindern. Doch alle Bemühungen blieben erfolglos. Eine Linderung der Wohnungsnot brachte erst die nach der Währungsreform immer stärker einsetzende Schaffung von neuen Wohnraum durch Neubauten. Damals wurden in Reuschberge – wie übrigens auch an anderen Stellen im Stadtgebiet - zahlreiche neue Häuser gebaut.

Die Jahre nach der Währungsreform brachten den entscheidenden Schub für die Besiedlung Reuschberges. Innerhalb kurzer Zeit entstanden ganze Straßenzüge neu, die verkehrs- und versorgungstechnische Infrastruktur wurde geschaffen. Das Gesicht Reuschberges veränderte sich innerhalb kurzer Zeit sehr stark. Im Laufe des Jahres 1950 wurden durch einen Teilbebauungsplan und eine Ortssatzung über die Bebauung Reuschberges die rechtlichen Rahmenbedingungen für die neue Siedlung geschaffen, Reuschberge an die städtische Wasserversorgung abgeschlossen und Straßennamen für die Hilling-Siedlung und das Neubaugebiet im nördlichen Kasernenbereich vergeben.

Bereits 1948 war die ehemalige Militärbadeanstalt für die Lingener Bevölkerung freigegeben worden. 1953 entstand die Fußgängerbrücke über den Kanal, auch Meckerbrücke genannt, um Reuschberge besser mit der Innenstadt zu verbinden. Bis zum Jahr 1965 stieg die Zahl der Wohnhäuser in Reuschberge schließlich auf 344.

Wenn Lingen nach einem halben Jahr Jahrhundert Bundeswehr in Reuschberge durch den Abzug der letzten Truppeneinheiten den Status als Garnisonsstadt verliert, so bringt dies sicher viele Probleme mit sich. Aber vor einer solchen Situation stand die Stadt auch schon in früheren Zeiten.
Als Lingen während des Spanisch-niederländischen Krieges zur Festungsstadt ausgebaut wurde, entstanden für die in der Festung stationierten Truppen im Bereich der heutigen Marienstraße und an der Baccumer Straße in größerem Umfang Barackenunterkünfte und sogar eine eigene Garnisonskirche. Nach dem Abbau der Wallanlagen 1632 und der anschließenden Neutralisierung Lingens verfielen die Baracken und die Kirche.

Im Bereich der Marienstraße baute der landesherrliche Droste 1646 sich ein repräsentatives Wohnhaus. Der größte Teil des Burggeländes wurde in Gärten umgewandelt. Das Gelände an der Baccumer Straße blieb mehrere Jahrzehnte ungenutzt. 1678-80 entstand dort der Neubau für die Lateinschule und 1684/85 das Seminarium oder Professorenhaus. Erst im 19. Jahrhundert wurde Lingen wieder Garnisonsstadt. Die Stadt Lingen kaufte 1834 ein größeres Gelände östlich der Stadt an der Straße nach Freren, errichtete Unterkünfte und Stallungen und machte sie dem hannoverschen Kriegsministerium zum Geschenk, damit dauerhaft Truppenteile in Lingen stationiert würden. Doch die Freude der Lingener über den Einzug der Soldaten währte nur kurz. Bereits 1837 wurden die beiden Bataillone abgezogen und nach Osnabrück verlegt. Die neuerbaute Kaserne stand längere Zeit leer und zum Schaden kam der Spott. Es kursierte das Sprichwort: „Die Lingener haben einen Hafen ohne Schiffe und eine Kaserne ohne Soldaten.“ Im Jahre 1854 verkaufte das hannoversche Kriegsministerium die Kaserne schließlich an das Justizministerium, das dort eine Frauenstrafanstalt einrichtete, was von den Lingener Bürgern als Prestigeverlust, ja als „ehrenrührig“ empfunden wurde. Wie jeder weiß, dienen die ehemaligen Kasernengebäude an der Georgstraße/Kaiserstraße noch heute dem Justizvollzug.

In beiden Fällen hatte es also relativ lange gedauert, bis eine Anschlussnutzung des Kasernengeländes bzw. der Bauten gefunden worden war. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Möglichkeiten und auch der Spielraum der Stadt Lingen zu einer sinnvollen Konversion in früheren Zeiten wesentlich geringer waren als heute. Insofern darf man guten Mutes sein, dass dieses Mal schneller als in früheren Zeiten eine gute Lösung gefunden wird.

Das Kasernengelände ist der größte zusammenhängende Grundstückskomplex im Stadtteil Reuschberge. Ursprünglich war es wie fast ganz Reuschberge eine Sanddünenlandschaft - ähnlich der Geländeformation, die sich westlich der Ems bis Lohne erstreckt. Bewachsen mit Büschen und Niederwald diente sie vorrangig als Viehweide. Die einstigen Sanddünen sind der Grund für die Bezeichnung Reuschberge. Der Name Reusch erinnert an die früheren Besitzer dieses Gebiets, die adlige Familie von Reusch. Im Jahre 1679 heiratete Wolf Heinrich von Reusch die Erbtochter auf Haus Beversundern. Er kam damit in den Besitz des Hauses Beversundern, zu dem seit Jahrhunderten die wellige Heide- und Sandfläche längs der Ems zwischen seinem Adelssitz und Darme gehörte. Die Familie von Reusch war bis 1831 Besitzer von Reuschberge. In den folgenden Jahrzehnten besaßen zunächst der pensionierte Premierleutnant Giesselmann und der Wasserbauinspektor Tolle gemeinsam das Haus Beversundern, später der Kaufmann Vehmeyer in Haselünne. Im Jahre 1880 gingen Beversundern und die Reuschberge schließlich in den Besitz der Grafen von Galen über. Politisch gesehen waren die Reuschberge für die Stadt Lingen Jahrhunderte lang Ausland. Sie gehörten zum größten Teil zur Bauerschaft Darme im Fürstbistum Münster.

Die Besiedlung von Reuschberge vollzog sich in mehreren Etappen und spiegelt sich in den Straßennamen wieder. Der Langschmidtsweg erinnert an die Tuch- und Flanellweberei Langschmidt und Sohn, die 1826 am nördlichen Rand der Reuschberge am Mühlenbach auf Lingener Gebiet gegründet wurde. In ihrer Nachbarschaft siedelten sich auch einige Arbeiter an. Anfang Dezember 1907 brannte die Weberei nieder und wurde nicht wieder aufgebaut.

Der Name Teichstraße erinnert an die ehemalige Fischzuchtanstalt, die im Bereich der sog. Alten Ems von der Landwirtschaftskammer Hannover 1902 angelegt worden war und bis etwa 1950 bestand.
Die eigentlich Besiedlung von Reuschberge setzte jedoch erst Ende der 1920er Jahre ein. Initiator war Pastor Hilling, der damalige Pfarrer an der St. Bonifatiuskirche in Lingen. Die von ihm 1929 gegründete Bau- und Spargenossenschaft Lingen erwarb in Reuschberge ein Grundstück von knapp 6 Hektar, auf dem bis zum Jahr 1938 nicht weniger als 21 Häuser gebaut wurden. Kassierer dieser Genossenschaft war der Volkschullehrer Hermann Heuking. Zur Erinnerung an die Gründer dieser Siedlung gibt es heute die Gerhard-Hilling-Straße und die Hermann-Heuking-Straße.

Kaum waren die ersten Häuser der Siedlung entstanden, fand auch der Staat Interesse an der großen unbebauten Fläche zwischen Ems und Kanal. Als im Zuge der sog. Heeresvermehrung der Reichswehr die Stadt Lingen 1933/34 als Garnisonstadt ausgewählt wurde, einigten sich die Vertreter der Stadt und der Heeresverwaltung im Frühjahr 1934 darauf, dass die Kasernen für die in Lingen zu stationierenden Truppenteile - ein Infanterie-Bataillon und eine Artillerie-Abteilung - in Reuschberge erbaut werden sollten. Die für die Kasernenanlage vorgesehene Fläche von ca. 21 Hektar musste die Stadt kostenlos und lastenfrei der Heeresverwaltung übereignen. Da die Stadt Lingen in Reuschberge keine Grundstücke besaß, erwarb sie von Emanuel Graf von Galen 16 Hektar zum Preis von 31.000 RM und weitere 5 Hektar durch Tausch, indem sie dem Grafen ein der sog. Gasthauskasse gehörendes Grundstück übertrug.
Pläne, dass Lingen Garnisonsstadt werden sollte, muss es bereits in der Weimarer Zeit gegeben haben, wie auch Bemühungen von Seiten der Stadt Lingen aus der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg überliefert sind, mit denen man erreichen wollte, dass Truppeneinheiten nach Lingen verlegt würden. Man kann also nicht sagen, dass Bürgermeister Plesse und seine Nationalsozialisten es erreicht hätten, dass Lingen Garnisonsstadt wurde. Durch die nationalsozialistische Aufrüstungspolitik wurden die bereits vorhandenen Pläne, Truppeneinheiten in Lingen zu stationieren, lediglich beschleunigt. Der Bau der Kasernen lässt sich aus den Akten und aus Zeitungsartikeln ziemlich genau rekonstruieren. Im Herbst 1934 wurde das Gelände planiert und der vorhandene Busch- und Baumbestand entfernt. Erst damals erhielt das Kasernengelände sein ebenes Oberflächenprofil. Noch im Spätherbst 1934 wurde mit der Errichtung der ersten Bauten begonnen. In Lingen wurde eine Heeresneubauleitung eingerichtet, die dem Heeresbauamt Münster unterstand, aber relativ selbständig war. Am 23. März 1935 war Richtfest, am 3. Oktober 1935 fand die Einweihung statt. Die neue Kasernenanlage bestand aus 2 nebeneinander gelegenen, durch einen Drahtzaun getrennten Kasernen: der Walter-Flex-Kaserne für das 1. Bat. des Infanterie-Regiments 37 und die Scharnhorst-Kaserne für die 1. Abt. des Artillerie- Regiments 6. Das Infanterie-Bataillon war bereits im Oktober 1934 in Lingen eingetroffen. Es standen jedoch zunächst nur provisorische Unterkünfte auf dem Viehmarktgelände und beim Gastwirt Heinrich Neerschulte in Schepsdorf zur Verfügung. Die neuen Unterkünfte in der Walter-Flex-Kaserne wurden deshalb von den Infanterie-Soldaten bereits vor der offiziellen Einweihung bezogen.

Die Artillerie-Abteilung, die am Morgen des 3. Oktober 1935 von Minden kommend in Lingen eingetroffen war, bezog nach einem Begrüßungsappell auf dem Marktplatz ihre neuen Gebäude. Fertiggestellt waren am 3. Oktober 1935 in der Walter-Flex-Kaserne 4 dreistöckige Unterkunftsgebäude für die vier Kompanien, 2 zweistöckige Wirtschaftsgebäude und am Eingang das dreistöckige Stabsgebäude,in der Scharnhorst-Kaserne 3 dreistöckige Mannschaftsgebäude für die drei Batterien, ein Stabsgebäude, ein zweistöckiges Wirtschaftsgebäude sowie Stallgebäude und Reithallen für die Pferde.

Die Fotos von den Einweihungsfeierlichkeiten lassen erkennen, dass mehrere weitere Gebäude noch nicht fertiggestellt waren, dass Kipploren und Baumaterialien herumstanden. 1936 wurden außerhalb der Kasernen westlich der Gelgöskenstiege mehrere Gebäude erstellt, nämlich Heeresverpflegungsanlagen und die Standortverwaltung, bis 1938 dann auch noch die Heeresfachschule und die Standortschwimm- und badeanstalt.

Wie bereits erwähnt, gehörte das Kasernengelände zur Zeit des Erwerbs durch die Stadt Lingen zur Gemeinde Darme. Da man den Militärs nicht zumuten wollte, dass die Kasernen in einem Dorf lagen, wurde der gesamte Kasernenbereich nach Lingen eingemeindet. Lediglich der benachbarte Möddelhof blieb weiterhin bei Darme.

Nach dem Abschluss der Baumaßnahmen in den beiden Kasernen im Jahre 1938 waren etwa drei Viertel des Kasernengeländes mit Bauten und Übungsplätzen belegt. Eine Freifläche war lediglich im Norden des Kasernengeländes übrig geblieben. Dort wurden 1939 Barackenunterkünfte für die Ersatzeinheiten des Infanterie-Bataillons und der Artillerie-Abteilung eingerichtet. Sie bildeten gewissermaßen eine eigene Kaserne. Erstellt wurden 9 Mannschaftsbaracken und 2 Stabsbaracken, außerdem Wirtschaftsgebäude, Fahrzeughallen und Stallungen. Im heutigen Stadtplan ist dies das Gelände zwischen der Mühlenbachstraße und der Hirschberger Straße. Auf einer alliierten Luftaufnahme von 1944 sind diese Baracken gut zu erkennen. Der Bau der Kasernen in Reuschberge und die damit verbundene Stationierung von Truppeneinheiten in Lingen brachte vielfache Veränderungen und Neuerungen mit sich. Einige Aspekte sollen im folgenden kurz gestreift werden. Die Gelgöskenstiege wurde in Horst-Wessel-Straße umbenannt.

Die Drehbrücke über den Kanal war für die schweren Militärfahrzeuge und den zusätzlichen Verkehr zur Stadt und zum Bahnhof nicht mehr ausreichend. 1936 wurde eine neue Brücke über den Dortmund-Ems-Kanal gebaut.

Als 1935 die Erweiterung des St. Bonifatius-Hospitals anstand, war die Standortverwaltung ein wichtiger Befürworter der Baumaßnahme. Eine Grippeepidemie unter den Soldaten im Winter 1934/35 hatte den Bettenmangel eklatant aufgezeigt und zu unhaltbaren Zuständen geführt. Die Villa Windhoff, auch Haus Emshagen genannt, wurde Standortoffizierskasino. Die Wehrmachtssoldaten waren ein fester Bestandteil des geselligen Lebens in der Stadt.
1938 wurde im Schepsdorfer Wald eine Schießanlage für die Lingener Kasernen errichtet.

1943 und 1944 kam es dort zu Hinrichtungen von belgischen Widerstandskämpfern und luxemburgischen Geiseln.

Der Bau der Kasernen brachte auch neue Arbeitsplätze nach Lingen. An der Errichtung der Gebäude waren auch zahlreiche Lingener Handwerker beteiligt. In den Kasernen fanden auch Zivilisten eine Beschäftigung, z.B. als Hausmeister oder als Küchenpersonal.

Bei Kriegsbeginn wurden alle in Lingen stationierten Truppenteile in frontnahe Gebiete verlegt. Die Kasernen standen während des Krieges jedoch nicht leer. Unterschiedliche Ausbildungseinheiten und später auch Genesungskompanien waren hier untergebracht.

In den letzten Kriegsmonaten lagen in Lingen

  • Die 1. SS Reit- und Fahrschule, eine sog. Remonte-Einheit.
  • Unterführerlehrgänge des Wehrkreises X
  • und eine Abteilung ungarischer Honved-Soldaten mit ihren Angehörigen.

Bei Kriegsende 1945 wurde die verlassenen Vorratslager der Kasernen von der einheimischen Bevölkerung geplündert und die Kasernen von den englischen Truppen von Altenlingen aus erobert. Nach Kriegsende wurde bis Ende 1947 ein Teil der Kasernen als Unterkunft für Einheiten der britischen Besatzungstruppen genutzt. Überwiegend dienten die Kasernen jedoch als DP-Camp, als Lager für Displaced Persons (DPs), das heißt als Unterkunft für heimatlose Ausländer, die als Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene nach Deutschland verschleppt worden waren, wegen der politischen Entwicklung in Osteuropa aber nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten oder wollten. Bei den Engländern und den UN-Flüchtlingsorganisationen hatten die Kasernen auch andere Namen erhalten. In den Akten heißen sie Dover- und Essex-Kaserne.

Bis 1947 waren in den Kasernen vor allem polnische DPs untergebracht. Sie bauten dort ihre eigene Infrastruktur auf. Die deutschen Behörden hatten dort keinen Zugang. Das Lager war exterritorial und durch einen Schlagbaum mit Wache vom benachbarten deutschen Wohngebiet abgetrennt. Im Lager gab es eine eigene Schule, Kindergarten, Krankenhaus und Kirche.

Die Nutzung des nördlichen Kasernengeländes mit seinen Baracken war aber nicht das, was die Stadt Lingen und die Vertreter der Flüchtlinge und Vertriebenen eigentlich angestrebt hatten. Mehrfach hatte sich der Magistrat bemüht, in den Kasernen selbst Wohnraum zu bekommen, um die Wohnungsnot in der Stadt zu lindern. Doch alle Bemühungen blieben erfolglos. Eine Linderung der Wohnungsnot brachte erst die nach der Währungsreform immer stärker einsetzende Schaffung von neuen Wohnraum durch Neubauten. Damals wurden in Reuschberge – wie übrigens auch an anderen Stellen im Stadtgebiet - zahlreiche neue Häuser gebaut.

Die Jahre nach der Währungsreform brachten den entscheidenden Schub für die Besiedlung Reuschberges. Innerhalb kurzer Zeit entstanden ganze Straßenzüge neu, die verkehrs- und versorgungstechnische Infrastruktur wurde geschaffen. Das Gesicht Reuschberges veränderte sich innerhalb kurzer Zeit sehr stark. Im Laufe des Jahres 1950 wurden durch einen Teilbebauungsplan und eine Ortssatzung über die Bebauung Reuschberges die rechtlichen Rahmenbedingungen für die neue Siedlung geschaffen, Reuschberge an die städtische Wasserversorgung abgeschlossen und Straßennamen für die Hilling-Siedlung und das Neubaugebiet im nördlichen Kasernenbereich vergeben.

Bereits 1948 war die ehemalige Militärbadeanstalt für die Lingener Bevölkerung freigegeben worden. 1953 entstand die Fußgängerbrücke über den Kanal, auch Meckerbrücke genannt, um Reuschberge besser mit der Innenstadt zu verbinden. Bis zum Jahr 1965 stieg die Zahl der Wohnhäuser in Reuschberge schließlich auf 344.

Wenn Lingen nach einem halben Jahr Jahrhundert Bundeswehr in Reuschberge durch den Abzug der letzten Truppeneinheiten den Status als Garnisonsstadt verliert, so bringt dies sicher viele Probleme mit sich. Aber vor einer solchen Situation stand die Stadt auch schon in früheren Zeiten.
Als Lingen während des Spanisch-niederländischen Krieges zur Festungsstadt ausgebaut wurde, entstanden für die in der Festung stationierten Truppen im Bereich der heutigen Marienstraße und an der Baccumer Straße in größerem Umfang Barackenunterkünfte und sogar eine eigene Garnisonskirche. Nach dem Abbau der Wallanlagen 1632 und der anschließenden Neutralisierung Lingens verfielen die Baracken und die Kirche.

Im Bereich der Marienstraße baute der landesherrliche Droste 1646 sich ein repräsentatives Wohnhaus. Der größte Teil des Burggeländes wurde in Gärten umgewandelt. Das Gelände an der Baccumer Straße blieb mehrere Jahrzehnte ungenutzt. 1678-80 entstand dort der Neubau für die Lateinschule und 1684/85 das Seminarium oder Professorenhaus. Erst im 19. Jahrhundert wurde Lingen wieder Garnisonsstadt. Die Stadt Lingen kaufte 1834 ein größeres Gelände östlich der Stadt an der Straße nach Freren, errichtete Unterkünfte und Stallungen und machte sie dem hannoverschen Kriegsministerium zum Geschenk, damit dauerhaft Truppenteile in Lingen stationiert würden. Doch die Freude der Lingener über den Einzug der Soldaten währte nur kurz. Bereits 1837 wurden die beiden Bataillone abgezogen und nach Osnabrück verlegt. Die neuerbaute Kaserne stand längere Zeit leer und zum Schaden kam der Spott. Es kursierte das Sprichwort: „Die Lingener haben einen Hafen ohne Schiffe und eine Kaserne ohne Soldaten.“ Im Jahre 1854 verkaufte das hannoversche Kriegsministerium die Kaserne schließlich an das Justizministerium, das dort eine Frauenstrafanstalt einrichtete, was von den Lingener Bürgern als Prestigeverlust, ja als „ehrenrührig“ empfunden wurde. Wie jeder weiß, dienen die ehemaligen Kasernengebäude an der Georgstraße/Kaiserstraße noch heute dem Justizvollzug.

In beiden Fällen hatte es also relativ lange gedauert, bis eine Anschlussnutzung des Kasernengeländes bzw. der Bauten gefunden worden war. Man muss allerdings berücksichtigen, dass die Möglichkeiten und auch der Spielraum der Stadt Lingen zu einer sinnvollen Konversion in früheren Zeiten wesentlich geringer waren als heute. Insofern darf man guten Mutes sein, dass dieses Mal schneller als in früheren Zeiten eine gute Lösung gefunden wird



Fotos v.o.n.u.: Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv