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Archivalie – Juni 2025

Zwei Festwochen im Mai 1975 bei der 1000-Jahr-Feier
Dr. Joachim Adams präsentiert Bundespräsident Walter Scheel die Einladung zur 1000-Jahr-Feier.
Die Schulkinder Ralf Klumparendt und Anja Konsolke überreichen Bundespräsident Walter Scheel einen Geschenkkorb und einen Bumenstrauß.
Die Hostessen der Stadverwaltung Lingen auf der Treppe des Historischen Rathauses.
Die Staffelläufer des VfL Lingen freuen sich über ihren Sieg.

Mit einem bunten Reigen von Veranstaltungen und Projekten feiert die Stadt Lingen in diesem Jahr ihr 1050-jähriges Bestehen. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern weckt dies Erinnerungen an die 1000-Jahr-Feier von Mitte bis Ende Mai 1975. Höhepunkte der damaligen Jubiläumsfeier waren der Besuch des Bundespräsidenten Walter Scheel, mehrere Veranstaltungen mit Fernsehstars und der große historische Umzug durch die Innenstadt am Pfingstmontag.

Die Zusage, dass der damalige Bundespräsident Walter Scheel anlässlich des Stadtjubiläums Lingen besuchen würde, ging Anfang November 1974 bei der Stadt ein. Gewissermaßen um dem Staatsoberhaupt auch noch eine besondere persönliche Einladung zu überreichen, machten sich Mitte April 1975 drei Herolde der Kivelinge mit ihren Pferden zu einem „Ritt nach Bonn“ auf.

Die von Bürgermeister Hans Klukkert und Stadtdirektor Karl-Heinz Vehring verabschiedeten Reiter waren der Gastwirt Norbert Lehbrink, der Orthopädieschuhmachermeister Ernst Ortmann und Dr. Joachim Adams, Oberbauleiter für das Gaskraftwerk Emsland. Nachdem sie die Pferdeanhänger in einer Seitenstraße geparkt und sich umgezogen hatten, ritten die drei Herolde über die Adenauer-Allee zur Villa Hammerschmidt, wo sie im Park vom Bundespräsidenten und seinem Stab in Anwesenheit von über 20 Pressevertretern und Kameraleuten erwartet wurden.

Dr. Adams erinnert sich: „Ich trug den in altertümlichem Deutsch verfassten Text der Einladung vor und überreichte dem Bundespräsidenten die große Pergamenturkunde. Scheel nahm das Ganze lässig und locker; anschließend lud er uns drei Herolde in die Villa Hammerschmidt ein und unterhielt sich mit uns. Er erkundigte sich nach unseren Berufen und anderen persönlichen Details. Besonderes Interesse fand bei ihm Ernst Ortmann, da Scheels Staatssekretär Orthopädieschuhe trug und diese immer sehr teuer fand. Scheel hakte mehrfach nach, was denn bei Ortmann die Schuhe kosten würden. Doch dieser ließ sich nicht aus der Reserve locken und meinte nur: „Mal mehr und mal weniger.“

Als die drei Herolde wieder in Lingen eintrafen, wurden sie von der Nachricht überrascht, dass ihr Besuch bei Scheel bereits im Central-Kino in der Wochenschau gezeigt werde.

Am Beginn der Festwochen, am 16. Mai, kam der Bundespräsident mit dem Hubschrauber nach Lingen. Er landete vormittags auf dem Sportplatz in Laxten, wo er von Ministerpräsident Alfred Kubel und den führenden Vertretern von Rat und Verwaltung willkommen geheißen wurde. Einen besonderen Willkommensgruß entrichteten zwei Schulkinder, die achtjährige Anja Konsolke von der Paul-Gerhardt-Schule und der gleichaltrige Ralf Klumparendt von der Castellschule. Sie trugen ein mehrstrophiges Gedicht vor und überreichten ein Gastgeschenk. Ralf Klumparendt erinnert sich: „Ich wurde morgens vom städtischen Fahrer Jupp Lucas abgeholt und zum Laxtener Sportplatz gebracht. Nach dem Gedicht überreichte Anja einen großen Blumenstrauß und ich einen Korb mit lokalen Spezialitäten. Zu unserer großen Freude gab der Bundespräsident uns beiden in ein Kinderbuch, das wir mitgebracht hatten, ein Autogramm mit Widmung. Dieses Buch besitze ich heute noch.“

Bei der Durchführung der verschiedenen Veranstaltungen wirkten mehrere junge Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung als Hostessen mit. Sie trugen eine einheitliche Kleidung; ihr Einsatz war minutiös geplant. Eine der Hostessen erinnert sich, dass sie dem Bundespräsidenten im Historischen Rathaus bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stadt Sekt nachschenkte. Am Pfingstsamstag Abend assistierte sie beim Städtequiz im Festzelt dem Quizmaster Reiner Holbe vom ZDF. Eingesetzt waren die Hostessen auch beim Wirtschaftsgespräch im Sitzungssaal des neuen Rathauses. Laut Einsatzplan war folgendes vorgesehen: „Die Hostessen treffen sich hier um 14.30 Uhr, um die Kaffeetafel vorzubereiten. Es wird Butterkuchen und Streuselkuchen angeboten, Kaffee und Rauchwaren. Für den Bundespräsidenten werden die Zigarren Monte Christo I angeboten.“

Im Rahmen der 1000-Jahr-Feier fanden auch mehrere Sportveranstaltungen statt. Den Anfang machte am Pfingstsonntag der Straßenstaffellauf „Rund um die alten Wälle“. 17 Mannschaften mit jeweils 13 Läufern nahmen daran teil. Heinz Klus vom VfL Lingen erinnert sich an diesen Staffellauf mit gemischten Gefühlen: „Obwohl ich die Strecke am Tage vorher abgegangen war, verirrte ich mich in der Elisabethstraße. Ich lief in die falsche Richtung und landete in einem Bierzelt, das die Kivelinge über Nacht aufgebaut hatten. Bis ich mich zurecht fand, war der deutliche Vorsprung unserer Staffel fast völlig verloren.“ Dank seiner guten Schlussläufer siegte der VfL Lingen aber dennoch sicher vor der Staffel des TuS Lingen. Ausgelassen freuten sich die 13 VfL-Läufer über ihren Sieg.

Quellen und Literatur:

  • StdA Lingen, Castellschule Nr. 58 (Schulchronik), Oberstadtdirektor Vehring Nr. 99 u. 100, Lingener Tagespost 1974 u. 1975.
  • Aloys Hoffmann / Karl-Heinz Vehring, 1000 Jahre Lingen/Ems 975 – 1975. Festschrift zur 1000-Jahr-Feier, Stadt Lingen (Ems) 15. Mai bis 1. Juni 1975 mit vollständigem Programm. Lingen 1975.


Artikeldatum: 17. Juni 2025
Fotos v.o.n.u.: © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen , © Stadtarchiv Lingen