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Archivalie – Juni 2022

Lingener Maße und Gewichte

Die Kivelinge 1911 vor dem Alten Rathaus. Wie das Schild zeigt, war hier auch das Eichamt untergebracht.

Spätestens seit dem Jahre 1300 hatte Lingen das Recht, Märkte abzuhalten. Doch wie sollte man die zum Verkauf angebotenen Waren bemessen? Überall hatten sich sehr unterschiedliche Maße herausgebildet, und die Versuche ihrer Vereinheitlichung sind zahlreich. Versuchen wir einen kleinen Überblick über die in Lingen damals gültigen Maße.

Zur Bemessung des Gewichts verwendete man seit Karl dem Großen das Pfund (=12 Unzen). Für das Pfund als „Krämergewicht“ galt jedoch: 1 Pfund = 16 Unzen = 32 Lot = 128 Quentchen. Allerdings wog das Pfund von Stadt zu Stadt unterschiedlich. So war das Lingensche Pfund (495,126 g) schwerer als in Köln (467,711 g) oder in der Grafschaft Bentheim, aber leichter als in Meppen. Neben dem Lingenschen Pfund (1 Zentner = 110 Pfund, 1 Pfund = 32 Lot) war hier auch das Kölnische Pfund (1 Zentner = 106 Pfund, 1 Pfund = 32 Lot) in Gebrauch. Wie J. Chr. Gabel 1787 in seiner Lingener Chronik berichtet, gab es aber auch noch das schwerere holländische Gewicht (1 Zentner = 103 Pfund). Die Vielzahl unterschiedlicher Maße und Gewichte in der Niedergrafschaft Lingen führte dazu, dass vor allem Bauern oftmals übervorteilt wurden. 1823 reformierte die Landespolizei deshalb das Maß- und Gewichtswesen. In den Ämtern Lingen und Freren durfte das Kölnische Gewicht fortan nur noch für Krämer- und Höckerwaren benutzt werden. Für alle anderen Waren galt das Lingensche Schlachtergewicht. Ein Zentner Schlachtergewicht entsprach 100 Pfund Schlachtergewicht oder 106 Pfund Kölnisches Gewicht. 1836 wurde im Königreich Hannover ein einheitliches Landesgewicht eingeführt, und andere Gewichte wurden verboten. Zur Überprüfung der Gewichte wurde in Lingen nun ein städtisches Eichamt eingerichtet, das bis 1912 Bestand hatte. Das Pfund wurde zu 32 Lot oder 128 Quentchen gerechnet, 1 Zentner (46,7711 kg) entsprach 100 Kölnischen Pfund. Apotheker und Juweliere behielten ihre eigenen Gewichte. Seit dem Beitritt Hannovers zum deutschen Zollverein 1854 rechneten Zoll, Post und Eisenbahn nach Zollgewicht (1 Pfund = 10 Neulot = 100 Quint = 1000 Halbgramm). Ab 1858 galt im Königreich Hannover dann ein neues Pfund (=10 Neuloth = 100 Quint = 500 Gramm), das ca. 1,069 Pfund des bisherigen Hannoverschen Landesgewichts wog. Und für das Medizinalgewicht galt: 1 Unze = 8 Drachmen = 6 Quint = 24 Scrupel = 20 Halbgramm = 160 Gran.

Getreide maß man üblicherweise nicht nach seinem Gewicht, sondern nach seinem Volumen. Man rechnete 1 Malter zu 12 Scheffel. Auch hier hatte Lingen früher ein eigenes Maß. Bereits eine 1300 ausgestellte Urkunde nannte 8 Scheffel Weizen nach Lingener Maß, und 1366 wechselten sechs Malter Winterroggen nach Lingener Maß („by Linger druckmate“) den Besitzer. Um 1700 entsprachen 1,22 Lingensche Scheffel einem Osnabrücker Scheffel. Um 1800 rechnete man: 1 Last = 122 Scheffel (29,565 Hektoliter) und 1 Scheffel = 4 Spint = 16 Kannen. Nach J. Chr. Gabel (1787) entsprach ein Lingenscher Scheffel Roggen 7 1/8 Berliner Metzen, ein Lingenscher Scheffel Hafer 9 Berliner Metzen. Zwar sei eigentlich das Berliner Scheffelmaß (1 Wispel = 24 Scheffel = 240 Metzen) eingeführt worden, doch sei es wenig gebräuchlich. Dafür werde, so Gabel, in der Obergrafschaft Lingen aber auch das Osnabrücker Maß verwendet. Im Rahmen der Lingener Maß- und Gewichtsreform von 1823 wurde der Lingensche Scheffel auf 7 1/8 Berliner Metzen (24,3753 Liter) festgelegt. Eine Last machte 54 Berliner Scheffel oder 122 Lingensche Scheffel oder 6 ½ Lingensche Malter. 1837 führte die Landdrostei Osnabrück unter anderem in der Niedergrafschaft Lingen den hannoverschen Himten ein. Da er mit vielen Scheffelvarianten identisch war, durfte er aber auch Scheffel genannt werden. Damit galt: 1 Last = 16 Halter = 96 Himten, 1 Himten = 4 Spint = 16 Becher. Offensichtlich war diese Neuerung aber nur schwer durchsetzbar. Noch 1839 wurde in Lingen nicht mit Himten, sondern mit Vierup gemessen, der eigentlich nur noch im Herzogtum Arensberg-Meppen gelten sollte.

Für die Volumenmessung von Flüssigkeiten gab es jeweils eigene Maße, die alllerdings auch wieder örtlich stark voneinander abwichen. J. Chr. Gabel (1787) rechnete das Fuder Wein zu 6 Ohm, den Oxhoft zu 6 Ruckern oder 1 ½ Ohm. Ein Rucker entsprach 30 Maß oder Quart, die Tonne Bier 120 Maß oder Quart. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts galt 1 Ohm = 4 Anker = 100 Kannen = 400 Ort, wobei eine Kanne 1,524 Litern entsprach. Mit der Reform 1823 sollte in Lingen und Freren dann nur noch das Lingener Maß (1 Ohm = 100 alte Kannen = 120 Berliner Quart) gelten, wobei eine Kanne nun 1,395 Litern entsprach. Danaben war auch das Berliner Maß gebräuchlich mit dem Quart zu 1,151 Liter. Beide Maße wurden 1838 aufgegeben zugunsten des allgemeinen hannoverschen Maßes: 1 Ohm = 4 Anker = 40 Stübchen = 80 Kannen = 160 Quartier = 320 Nößel, wobei eine hannoversche Kanne 1,94698 Litern entsprach. Gemessen wurde aber auch in hannoverschem Kubikfuß = 123 Kubikzoll (à 14,42 cm3), den Kubikzoll zu 123 Kubiklinien.

Die gebräuchlichen Längenmaße verrät die „Descriptio ende Landmeetinge des Sey- oder Bouwlanden“ von 1619: 1 Kette = 5 Ruten = 75 Lingensche Fuß. 1787 unterscheidet J. Chr. Gabel lange oder Brabanter Ellen (20 Ellen = 21 Berliner Ellen) und kleine oder Holländische Ellen (5 Ellen = 3 Berliner Ellen). Um 1800 wurde nach Brabanter Elle (69,12 cm) und Lingener Elle (67,79 cm) gemessen. Ab 1823 sollte in Lingen und Freren dann nur noch die Lingener Elle (ca. 67,37 cm) gelten, wobei 111 Ellen 112 Berliner Ellen entsprachen. Ab 1836 galt dann im ganzen Königreich Hannover: 1 Meile = 25.400 Fuß, 1 Rute = 16 Fuß, 1 Klafterlänge = 6 Fuß, 1 Elle = 2 Fuß = 24 Zoll = 288 Linien.

Das Flächenmaß leitete sich anfangs nicht aus dem Längenmaß, sondern aus dem Kornmaß ab. So berechnete die „Beschrivinge“ der Niedergrafschaft Lingen Ackerflächen nach Maltersaat (bzw. Molt) und Scheffelsaat, also der Fläche, die man mit einem Malter oder einem Scheffel Korn besäen konnte. 1 Molt entsprach dabei 12 Scheffelsaat. Im 30jährigen Krieg und auch noch 1685 galt: 1 Scheffelsaat = 60 Quadratruten = 600 Quadratfuß = 60.000 Quadratdaumen, wobei 15 Quadratruten einen Spint bildeten. Allerdings unterschied man 1685 offenbar zwischen zwei verschiedenen Maßen: ein großer Scheffel entsprach anderthalb kleinen Scheffeln. Nach J. Chr. Gabel (1787) entsprach im Lingenschen ein Morgen Land 180 Rheinischen Ruten oder 2 Scheffelsaat Kontributionsmaß oder 3 Scheffel Sähmaß, wobei auch der Berliner Scheffel (= 120 Rheinländische Ruten) öfters Anwendung fand. Auch um 1800 wurde noch in Morgen und Scheffel gerechnet: 1 Lingenscher Morgen (36,45 a) = 3 Lingensche Scheffel Feldmaß = 180 Lingensche Quadratruten = 2.700 rheinländische Quadratfuß. Ab 1837 wurde dann – wenngleich die alten Maße vorläufig weiterhin verwendet werden konnten – der hannoversche Morgen (26,2101 a) das gesetzliche Flächenmaß: 1 Morgen = 120 Quadratruten, 1 Quadratrute = 256 Quadratfuß, 1 Quadratklafter = 36 Quadratfuß, 1 Quadratelle = 4 Quadratfuß, 1 Quadratfuß = 144 Quadratzoll.

1872 trat schließlich flächendeckend die Norddeutsche Maß- und Gewichtsordnung in Kraft. Sie etablierte das noch heute gültige metrische System mit Meter, Liter und Gramm.

Quellen und Literatur

  • StadtA LIN, Altes Archiv, Nr. 191, Nr. 192, Nr. 194, Nr. 205
  • StadtA LIN, AV-Medien, Nr. 229.
  • StadtA LIN, Fotoslg., Nr. 12740.
  • StadtA LIN, Fotoserien, Nr. 415.
  • StadtA LIN, Karteislg., Nr. 5.
  • Kath. Kirchengemeinde Lingen (Hg.): St. Bonifatius Lingen (Ems). Zur Geschichte der kath. Kirchengemeinde, Lingen (Ems) 1986.
  • Oberthür, Chr./ Busche, Franz/ Barth, Franz: Orts- und Flurnamen, Münzen Maße und Gewichte (Unsere Heimat. Lesebogen für die Schulen des Kreises Lingen/Ems 8), Lingen/Ems 1953.
  • Osnabrücker Urkundenbuch, Bd. 4, Nr. 589.


Artikeldatum: 5. Juni 2022
Fotos v.o.n.u.: Stadtarchiv Lingen, Stadtarchiv Lingen, Stadtarchiv Lingen