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Von der Demokratie zur Diktatur – Lingen 1932-1933

von Dr. Ludwig Remling

Bei der Abiturprüfung am Gymnasium Georgianum im Februar 1933 hieß eines der vier im Fach Deutsch gestellten Aufsatzthemen „Wie kann man im Alltagsleben Mut zeigen?“ Dieses Thema wurde nur von einem Schüler bearbeitet.
In seinen Ausführungen ging der Abiturient zunächst auf einige Situationen seines Lebens ein, in denen er seine eigene Mutlosigkeit überwunden hatte. Im zweiten Teil seines Aufsatzes schilderte er einige Berufe, für deren Ausübung besonderer Mut erforderlich sei. Er schreibt dabei u.a.: „Mut zeigen heute in einer Zeit des Parteienhaders alle Leute, die sich offen zu einer politischen Partei bekennen. Besonders unsere Staatsmänner, Politiker und Wahlredner begeben sich bei jedem öffentlichen Auftreten in Lebensgefahr. Wie oft geschieht es doch, dass irgendein politischer Fanatiker einen politisch anders denkenden Menschen rücksichtslos erschießt, ihm die Fensterscheiben einwirft oder ihn sonst schädigt. Es gehört Mut dazu, heute seine Meinung und seine Ansicht auszusprechen.“ Mit treffenden Worten hat der damals knapp 24 jährige Abiturient aus dem Oldenburger Münsterland, mit Abstand der älteste Schüler der Klasse, die politischen Verhältnisse am Ende der Weimarer Republik beschrieben. Es herrschten damals in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände. Vielerorts war an die Stelle von Diskussion und Argumentation die nackte Gewalt getreten. Die politische Auseinandersetzung war geprägt von Beleidigungen und Tätlichkeiten, Überfällen und Brandstiftungen, Mord und Totschlag. Fast täglich wurde in den Zeitungen darüber berichtet.
In den Aufsätzen der übrigen 16 Schüler finden sich keinerlei Anklänge an das Zeitgeschehen. Deren Themen lauteten: „Mensch und Gestirne“ (Dieses Thema konnte sowohl aus physikalischer wie auch aus geistesgeschichtlicher Sicht bearbeitet werden.), „Individuum und Gemeinschaft im Schauspiel Antigone des antiken Dichters Sophokles“ gestellt im Anschluss an den Griechisch-Unterricht und schließlich „Meine Erfahrungen im Vereinsleben“. Wenigstens beim Sophokles-Thema mit seinem Widerstreit zwischen unveräußerlichen individuellen Rechten und der Staatsraison hätte man durchaus Ansatzpunkte für einen Bezug zur politischen Entwicklung Anfang der dreißiger Jahre finden können. Doch keiner der Abiturienten ging darauf ein.

Den Anschein alltäglicher Normalität fernab der heißen politischen Auseinandersetzungen, wie er in fast allen damaligen Abituraufsätzen des Gymnasiums Georgianum begegnet, bieten weithin, wenn auch nicht völlig, die Lokalseiten der wichtigsten Lingener Zeitungen: Lingener Volksbote und Lingener Tageblatt, beide dem „Zentrum“ nahe stehend, sowie Lingener Kreisblatt.
Wir lesen von Vereins- und Geschäftsjubiläen, Verkehrsunfällen und Bränden, Geschäftsgründungen und Konkursen, den Wettkämpfen der Sportvereine und den zunehmenden Erfolgen des aufstrebenden Motorrad-Rennfahrers Bernd Rosemeyer, den Aktivitäten des Heimat- und Verkehrsvereins und seines Theaterausschusses und natürlich auch von politischen Versammlungen und Kundgebungen sowie den lokalen Ergebnissen der verschiedenen Wahlen.

Anfang 1932 zählte Lingen 11.267 Einwohner, darunter 55 Ausländer. Der weitaus größte Arbeitgeber in der Stadt, das Reichsbahn-Ausbesserungswerk, beging im Januar sein 75jähriges Bestehen mit einem Festakt. Betriebsjubiläen feierten 1932 die Firma Johannigmann (gegründet 1878), die Bäckerei Anton Kemper, das Bekleidungsgeschäft August John (beide 1902 gegründet), das Malergeschäft Hermann Berning, die Färberei Ubl Am Markt, die Bäckerei Dees am Beginn der Meppenerstraße (jeweils 1907 gegründet). Vereinsjubiläen feierte der 60 Jahre alte Evangelische Volksbildungsverein, der TV 1882 Gut Heil und der 1907 gegründete Ortsverein Lingen des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Neu gegründet wurde die Ortsgruppe Lingen der DLRG. Fertiggestellt wurde die Emsbadeanstalt und die neue Turnhalle des Reichsbahn- Turn- und Sportvereins.
Der junge Heino Deeken ließ sich bei Rosemeyers in der Bahnhofstraße 14 als Architekt nieder. Wilhelm Pasi eröffnete in der Burgstraße ein Geschäft für Gemüse, Obst und Südfrüchte, Gerhard Dlugay ein Kurzwarengeschäft im Hause Goosmann, Burgstraße 31.
Der 1930 gegründete Heimat- und Verkehrsverein veranstaltete im Juni 1932 seinen ersten Heimatnachmittag im Wacholderhain in Wachendorf, der sehr gut besucht war; ferner führte er einen Blumenwettbewerb zur Verschönerung des Stadtbildes und einen Fotowettbewerb durch. Eingeweiht wurde der Neubau der katholischen Volksschule in Lingen-Ost. Sie erhielt bei dieser Gelegenheit den Namen Hindenburgschule aus Dankbarkeit für die Unterstützung, die der Reichspräsident nach der Wirbelsturmkatastrophe der Stadt Lingen hatte zukommen lassen. Feierlich eröffnet wurde das Evangelische Vereinshaus, Marienstraße 16. Die neue Städtische Siedlung an der Haselünner Straße erhielt den Namen Hermann-Gilles-Platz.
Die Stadt erwarb Anfang 1932 das Gerichtsgefängnis im Amtsgerichtsgarten, um es fortan als Polizeigefängnis zu nutzen. Im März wurde auf dem Turm des Historischen Rathauses eine elektrische Brandsirene installiert, da die bisher übliche Alarmierung durch die große Glocke der Bonifatiuskirche nicht mehr ausreichte.

Doch die geschilderte alltägliche Normalität hatte eine Kehrseite, die nur ganz selten ihren Weg in den Lokalteil der Zeitungen fand. Infolge der wirtschaftlichen Krise und der zunehmenden Arbeitslosigkeit herrschte bei weiten Teilen der Lingener Bevölkerung bittere Not. Diese Not wurde noch dadurch verschlimmert, dass aufgrund der Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte für eine Unterstützung der Arbeitslosen nur in beschränktem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Durch die Notverordnungen der Regierung vom 14. und 16. Juni 1932 wurden die Unterstützungssätze für die Arbeitslosunterstützung und die Krisenunterstützung um 23 % gesenkt. Außerdem fielen wegen der langen Dauer der Wirtschaftskrise viele Langzeitarbeitslose aus der Arbeitslosen- und Krisenunterstützung heraus, was zu einem Ansteigen der Wohlfahrtserwerbslosen führte, die der öffentlichen Fürsorge zur Last fielen.
Im September 1931, als im Bereich der Stadt Lingen knapp über 500 Arbeitslose gezählt wurden, hatte Bürgermeister Gilles Wohltätigkeitsvereine und Kirchen, die Berufsstände und die Behörden zur Bildung einer ''Notgemeinschaft Lingen 1931'' aufgerufen. Er befürchtete für den bevorstehenden Winter das Schlimmste. Durch eine gemeinsame Sammelaktion sollten die Mittel beschafft werden, um denen zu helfen, die in Not geraten waren. In seinem öffentlichen Appell heißt es:
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in unserem Land sind unbefriedigender den je, dunkel und unheildrohend liegt die Zukunft vor uns. Das Heer der Arbeitslosen wächst! Die Not steigt, die Not des Einzelnen unter den Arbeitslosen, den Rentnern, den Kriegsopfern, Witwen und Waisen! Mit Bangen sehen sie dem Winter entgegen! Woher sollen Kohlen und Kartoffeln, die nötigste warme Winterkleidung kommen, um Weib und Kinder vor Kälte und Hunger zu schützen? ... Die öffentlichen Mittel reichen nicht aus, den unabweisbaren Bedürfnissen dieser Notleidenden zu begegnen. Viel Geld, viele Sachen sind notwendig, um ihnen das Unerlässliche geben zu können.''
Trotz einiger Anlaufschwierigkeiten wurde die „Notgemeinschaft Lingen 1931“ ein voller Erfolg. Von den zahlreichen Spendern in Stadt und Kreis Lingen wurden zur Verfügung gestellt ca. 4500 RM an Bargeld, 3700 Zentner Kartoffeln, 600 Zentner Gemüse, 14 Zentner Obst, große Mengen Brot, Milch und andere Lebensmittel, Kleidung und Brennmaterial. Die Arbeit der Notgemeinschaft endete Anfang Mai 1932. Insgesamt 421 Familien und 497 alleinstehende Personen wurden unterstützt.
Die Befürchtungen von Bürgermeister Gilles vor einem schweren Winter mit steigenden Arbeitslosenzahlen und zunehmender Not der ärmeren Schichten der Bevölkerung war berechtigt. Vom Dezember 1931 bis Februar 1932 erreichte die Arbeitslosigkeit in Lingen mit durchschnittlich 665 Arbeitssuchenden einen neuen Höchststand. Nach einem wahrscheinlich saisonal bedingten leichten Rückgang in den Frühjahrsmonaten verschlechterte sich die Lage ab Juni 1932 erneut. Im September 1932 wurde mit 806 Arbeitslosen der absolute Höchststand erreicht. Von Oktober 1932 bis März 1933 lagen die Monatszahlen zwar etwas niedriger, blieben aber mit 770 bis 740 Arbeitslosen stets auf einem hohen Niveau. Die in den Wirtschaftsberichten der Behörden signalisierte leichte Umkehrung des negativen Trends machte sich zwar auch in Lingen bemerkbar. Die mehrfach gemeldeten Neueinstellungen reichten aber nicht aus, um die Zahl der Arbeitslosen entscheidend zu senken. Erst in der 2. Jahreshälfte 1933 wurde Stand vom Sommer 1931wieder erreicht.

Eine Hilfsaktion wie sie im Winter 1931/32 durch Bürgermeister initiiert worden war, gab es trotz des erneuten Anstiegs der Arbeitslosigkeit im Winter 1932/33 in Lingen nicht mehr. Einer der Gründe dafür dürfte die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage gewesen sein, von der zunehmend auch Händler und Gewerbetreibende betroffen waren. Die Spenden wären dieses Mal wohl deutlich geringer ausgefallen. Möglicherweise spielten auch die Querelen, die es über die gerechte Verteilung der Hilfsgüter bei der Hilfsaktion 1931/32 gegeben hatte, eine Rolle. Die Erinnerung an die teilweise parteipolitisch gefärbten Vorwürfe war in der politisch angespannten Situation des Winters 1932/33 für die Initiatoren der Notgemeinschaft 1931 sicher nicht sonderlich motivierend, erneut eine Hilfsaktion zu starten. Jedoch veranstalteten die evangelischen Kirchen unter Leitung von Pastor Städtke im Winter 1932/33 eine eigene Hilfsaktion.

Von der Arbeitslosigkeit waren im Emsland vor allem junge Leute betroffen. Ihr Anteil lag deutlich über dem der Familienväter. Die Arbeitslosigkeit war außerdem im Emsland wie auch in anderen Regionen ein vorrangig städtisches Phänomen. Im August 1932 wies der gesamte Kreis Lingen 1118 Arbeitslose, wovon 703 in der Stadt Lingen wohnten. Das bedeutete für den gesamten Kreis Lingen eine Arbeitslosenquote von 5,3 %, für die Stadt Lingen aber 19 %. Lingen gehörte damit neben Osnabrück (19,3%), Papenburg und Emden (mit je ca. 21 %) sowie Bramsche (ca. 23 %) zu den Städten mit den höchsten Arbeitslosenquoten im gesamten Nordwestdeutschen Raum.
Auffällig ist in der Stadt Lingen auch der hohe Anteil von Wohlfahrtsempfängern unter den Arbeitssuchenden. Er beträgt von Juli 1932 bis Juli 1933 stets durchschnittlich ca. 30 %. Der Anteil von Wohlfahrtsempfängern wäre wahrscheinlich noch höher gewesen, wenn nicht ab Frühjahr 1932 eine zunehmende Zahl Arbeitsloser im Freiwilligen Arbeitsdienst, der im Raum Lingen vor allem von katholischen Jugendorganisationen getragen wurde, oder bei Notstandsarbeiten eine vorübergehende Beschäftigung gefunden hätte.
Ein Hinweis auf die anhaltende Not in der Bevölkerung ist auch die Zusammensetzung der Arbeitslosen entsprechend der Art der Unterstützung, die sie bekamen. Als typisch mögen die Zahlen des Monats September 1932 gelten, als die Arbeitslosigkeit in Lingen ihren Höchststand erreichte. Von den 806 erfassten Arbeitssuchenden waren 246 Wohlfahrtsempfänger, 148 erhielten Arbeitslosenunterstützung, 118 die niedrigere Krisenunterstützung, 62 waren bei Notstandsarbeiten beschäftigt, 188 in einer Maßnahme des Freiwilligen Arbeitsdienstes. Das heißt, dass nur knapp 20 % die normale Arbeitslosenunterstützung bekamen, der größte Teil der Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert war und eine entsprechend geringere Unterstützung erhielt. Von September 1932 bis Mai 1933 nahm nun die Zahl der Empfänger von Arbeitslosenunterstützung immer mehr ab, während gleichzeitig die Zahl der Empfänger von Reichskrisenunterstützung immer mehr zunahm und im Mai 1933 ihren Hohepunkt erreichte.

Wie wirkte sich nun die hohe Arbeitslosigkeit in Lingen auf das parteipolitische Leben in der Stadt aus? Kam es auch hier wie in anderen Gebieten des Deutschen Reiches zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, zu Beleidigungen und tätlichen Übergriffen, zu Saal- und Straßenschlachten?
Anfang der 1930er Jahre verfügten fast alle wichtigen im Reichstag vertretenen Parteien in Lingen über Ortsgruppen. Lediglich die Ortsgruppe der DNVP hatte sich bereits vor 1929 aufgelöst, die Ortsgruppe der NSDAP war im Entstehen. Über genauere Mitgliederzahlen und den Organisationsgrad ist durchwegs wenig bekannt. Doch konnten sich vor allem das Zentrum wie auch die SPD auf eine Reihe von Nebenorganisationen stützen, die erheblich zur Festigung und Abgrenzung des jeweiligen Milieus beitrugen. Bei der Lingener SPD waren dies z.B. der Arbeitergesangverein Hoffnung, der Arbeiter-Turn- und Sportverein Vorwärts, die Arbeiterwohlfahrt, die Sozialistische Arbeiter-Jugend, die Freien Gewerkschaften. Zum Zentrumsmilieu gehörten neben den verschiedenen örtlichen kirchlichen Gruppen und Vereinen der Katholische Jungmänner-Verein, der Gesellenverein, der auch ein Haus für größere Veranstaltungen besaß, der Caritasverein, der Katholische Frauenbund, der Sportverein DJK Lingen und wenn auch mit Einschränkungen die Christlichen Gewerkschaften. Die Parteien des protestantischen Bürgertums DDP, DVP und DNVP konnten sich nicht auf einen derart vielgestaltigen Kranz von nahestehenden Organisationen stützen. Insofern waren sie in ihren Aktivitäten eingeschränkt und konnten ihre Anhänger auch weniger eng an sich binden. Zwar gab es seit 1872 den Evangelischen Arbeiter-Bildungsverein, später umbenannt in Volksbildungsverein, doch dieser erhielt erst 1932 ein eigenes Vereinsheim.
Die NSDAP war in Lingen Ende 1929 erstmals in Erscheinung getreten, als sieben NSDAP-Aktivisten um Stimmen für das Volksbegehren gegen den Youngplan warben. Im Juli 1930 gab es laut Bericht des Lingener Landrats Dr. Pantenburg in der Kreisstadt keine Ortsgruppe der NSDAP, jedoch 5 Bezieher von NS-Parteiblättern. Vor der Reichstagswahl vom 14. September 1930 wurde die NSDAP erstmals mit einer Veranstaltung in Lingen öffentlich aktiv. Leiter der Wahlversammlung, bei der Gauleiter Röver aus Oldenburg auftrat, war der damals 62jährige Kaufmann und Weinhändler Kramer. Er wurde im Sommer 1931 als Ortsgruppenleiter durch den 23 Jahre alten Medizinstudenten Erich Plesse abgelöst, der am 1. September 1929 in Rostock der dortigen Ortsgruppe der NSDAP beigetreten war. Die NSDAP-Ortsgruppe Lingen zählte im Oktober 1931 ca. 50 Mitglieder, wobei einige in der Umgebung wohnten. Sie gehörte zunächst organisatorisch zum NSDAP-Bezirk 26, dessen Kreisleiter der Grafschafter NSDAP-Führer Dr. Josef Ständer war. Zum 1. Juli 1932 wurde der Kreis Lingen im NSDAP-Organisationsgefüge selbständig und erhielt in Erich Plesse einen eigenen Kreisleiter.
Die Eltern von Erich Plesse waren 1925 aus beruflichen Gründen nach Lingen gezogen, ihr Sohn Erich war jedoch am bisherigen Wohnort Nienburg an der Weser verblieben und hatte dort 1927 sein Abitur abgelegt. Zum Sommersemester 1927 nahm er das Studium der Medizin auf. Nachdem er Anfang März 1931 in Rostock die ärztliche Vorprüfung bestanden hatte, exmatrikulierte er sich und kehrte noch im gleichen Monat zu seinen Eltern nach Lingen zurück. Da sich das geplante ärztliche Praktikum hier offensichtlich nicht realisieren ließ, widmete er sich mit großem Einsatz der Parteiarbeit in Stadt und Kreis Lingen und übernahm den Vorsitz der Ortsgruppe. Zumindest seit er in Personalunion das Amt des Ortsgruppen- und Kreisleiters inne hatte, dürfte er kaum noch Zeit für berufliche Aktivitäten gehabt haben Durch die Wahlen zum Preußischen Landtag, die beiden Urnengänge zur Ermittlung des Reichspräsidenten und zwei Reichstagswahlen war er 1932 voll beansprucht war.
Trotz seiner Jugend gelang es Plesse die Organisation der Lingener Ortsgruppe zu festigen und auszubauen. Im April 1932 bestand eine SA-Trupp mit 26 Mitgliedern, der nach dem zeitweiligen SA-Verbot bis zum Oktober des gleichen Jahres auf 30 SA-Männer anwuchs. Wohl im Sommer 1932 wurde eine kleine HJ-Gruppe gegründet, bis zum Oktober 1932 kam eine NS-Beamten-Arbeitsgemeinschaft hinzu.
Unter Plesses Leitung entfaltete die Lingener NSDAP eine beträchtliche Aktivität, die mehrfach zu Auseinandersetzungen mit den sozialistischen Parteien KPD und SPD, aber auch mit dem Zentrum führte. Insgesamt ist bei allen Parteien, nicht nur bei der NSDAP, im Jahre 1932 eine deutliche Zunahme an Veranstaltungen zu beobachten. Es fanden Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen wie dem Marktplatz und in den großen Sälen im Hotel Nave bzw. auf der Wilhelmshöhe statt, Umzüge durch die Straßen der Stadt, Film- und Theateraufführungen, Deutsche Abende. Letztlich ging es darum, die eigenen Anhänger zu mobilisieren, den öffentlichen Raum zu beherrschen und den politischen Gegner zu beeindrucken, zu entmutigen und einzuschüchtern. Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen KPD und NSDAP kam es - soweit bekannt - 1932 in Lingen nicht mehr. Wohl aber hatte es solche in den Jahren zuvor gegeben. Ursachen für die Übergriffe waren allerdings nicht allein die politische Radikalisierung, sondern auch die in der Weimarer Zeit übliche Form von Parteiveranstaltungen. Von den Zuhörern wurde Eintritt verlangt und es wurde auch dem politischen Gegner die Möglichkeit zur Teilnahme an der Diskussion eingeräumt, ja dieser teilweise direkt dazu eingeladen. So lief laut Polizeibericht die erste öffentliche Veranstaltung der NSDAP mit dem Oldenburger Gauleiter Röver am 8. September 1930 im Großen Saal des Hotels Nave ziemlich tumultuarisch ab. Ca. 600 Personen waren anwesend, darunter ca. 200 SPD/KPD-Anhänger, der Rest meist Neugierige, aber auch ca. 60 junge Leute aus der Grafschaft Bentheim, die Kreisleiter Dr. Ständer mit Lastwagen und Autobus herangeschafft hatte. Der Lingener SPD-Vorsitzende Heinrich Melcher, ein Vertreter der sozialistischen Gewerkschaft namens Heinze und der KPD-Mann Franz Seidler traten als Gegenredner auf. SPD- und KPD-Leute sangen die Internationale, die Nationalsozialisten versuchten sich mit der Nationalhymne durchzusetzen. Es entstand ein großer Krach, sodass die Versammlung von der Polizei aufgelöst wurde. Das Zentrum hielt zum gleichen Zeitpunkt seine Hauptversammlung für die bevorstehende Reichstagswahl im Gesellenvereinshaus.
Bei ihrer nächsten großen Kundgebung am 14.März 1931, als ein führender Parteigenosse aus München in Lingen auftrat, hatte die NSDAP vorgesorgt. Mit 8 Autobussen und einem LKW waren ca. 200 Anhänger aus der gesamten Grafschaft Bentheim herangebracht worden. Die Kommunisten versuchten mit ca. 200 Personen, die zum Teil auch aus Rheine und Nordhorn gekommen waren, unter Leitung des bereits erwähnten Franz Seidler den Saal zu stürmen, was die Polizei jedoch zu unterbinden wusste. Die KPD-Anhänger änderten daraufhin ihre Taktik. Sie stellten sich friedlich und bezahlten den geforderten Eintritt, so dass sie eingelassen wurden. Über den weiteren Verlauf berichtet der Lingener Volksbote: Die Auseinandersetzung der beiden Gegner begann alsbald nach der Eröffnung der Veranstaltung. Die Kommunisten störten durch ihre Zwischenrufe und Trampeln den Redner. Und ehe man sich versah, kam die handgreifliche Betätigung, bei der eine ganze Anzahl Stühle auseinandergebrochen und Verschiedenes demoliert wurde. Dank dem energischen Eingreifen der Polizei konnten die Gegner getrennt und die Kommunisten aus dem Saale entfernt werden.
Friedlicher ging es bei einer Wahlveranstaltung der Lingener DVP Ende April 1932 zu. Zahlreiche Nationalsozialisten waren anwesend, Ortsgruppenleiter Plesse und sein Parteikollege Studienrat Trappe lieferten Diskussionsbeiträge, ohne dass es zu irgendwelchen Vorkommnissen kam. Zur NSDAP-Versammlung mit dem Parteiredner Gronewold zum Thema: „Gewerkschaften und Nationalsozialisten“ waren die Funktionäre der Gewerkschaften und der anderen Parteien von den Veranstaltern sogar schriftlich zur Diskussion eingeladen worden, stießen damit aber bei den örtlichen Arbeitervereinigungen auf wenig Gegenliebe.
Auch das Zentrum hatte im Emsland seit 1930 Vertreter in die NSDAP-Versammlungen geschickt, mit denen sie die Diskussion teilweise auch dominierte, doch verzichtete man ab Mitte 1932 darauf, Gegenredner zu stellen, um dem „politischen Gegner nicht Saal und Kasse zu füllen“, zumal den Vertretern der anderen Parteien in NSDAP-Versammlungen ohnehin nur eine sehr bescheidene Redezeit eingeräumt wurde.
Auch wenn es 1932 in Lingen – im Gegensatz zu Nordhorn – relativ friedlich zuging und von größeren Ausschreitungen nichts überliefert ist, so wurde die Lingener Bevölkerung Mitte Juli 1932 doch mit den schlimmen Folgen der parteipolitischen Radikalisierung konfrontiert. Bei einem von etwa 6000 SA-Leuten aus ganz Norddeutschland besuchten Gautreffen in Bremen wurde der aus Lingen stammende, 24 Jahre alte Oberwachtmeister Gottfried Talle, der bei dieser Veranstaltung als Mitglied der Schutzpolizei Dienst getan hatte, durch eine Sprengbombe getötet. Er hatte mit seinen Kollegen einige Kommunisten beobachtet, die sich am Rande der SA-Veranstaltung an einer Eisenbahnbrücke zu schaffen gemacht hatten. Als die Verdächtigen von den Polizisten kontrolliert wurden, stellte sich heraus, dass alle mit Pistolen bewaffnet waren und selbstgefertigte Handbomben bei sich trugen. Durch die plötzliche Explosion einer der Bomben wurde Talle auf der Stelle getötet. Er fand auf dem Alten Friedhof in Lingen sein Grab. Obwohl Gottfried Talle kein Nationalsozialist gewesen war, wurde er nach der Machtübernahme von der Lingener NSDAP als „Märtyrer der Bewegung“ propagandistisch vereinnahmt.

Die NSDAP hatte sich als erste der Parteien der Weimarer Zeit mit der SA eine milizartige Schutztruppe zugelegt. Sie diente sowohl dem Schutz der eigenen Parteiveranstaltungen wie auch der Einschüchterung und Terrorisierung des politischen Gegners. Die Lingener SA wuchs - wie bereits erwähnt - im Laufe des Jahres 1932 auf eine Stärke von 30 Mann, dürfte Anfang 1933 jedoch bald wesentlich stärker gewesen sein. SA-Führer war 1932 der Lingener Kaufmann Heinrich Schütte, der 1933 jedoch durch einen auswärtigen Parteigenossen abgelöst wurde. Wie spätere Berichte erkennen lassen, kam dem Lingener SA-Trupp für den Erfolg der Lingener NSDAP-Ortsgruppe neben dem Einsatz von Plesse eine entscheidende Rolle zu, da zunächst neben der SA andere Parteigliederungen – wenn überhaupt – nur rudimentär vorhanden waren. Versammlungslokal und Stützpunkt der SA war 1933 der Niedersachsenhof, auch Clubrestaurant genannt, an der Ecke Karolinenstraße/Clubstraße. Ob er dies auch bereits 1932 war, ließ sich nicht feststellen.
Die Lingener KPD-Ortsgruppe hatte 1925 nach den Berichten der Polizei 33 Mitglieder, wuchs bis 1929 auf über 60. Der Kampfverband der KPD, der „Rote Frontkämpferbund“ verfügte 1929 in Lingen über 60 Mitglieder, wovon die Hälfte auch dem „Roten Jungsturm“ angehörte. 1932 verfügte die Lingener KPD über drei Parteizellen (Ost, West und Betriebszelle RAW sowie über einzelne Anhänger in Laxten, Lengerich, Freren und Meppen. Die technische Ausstattung der Lingener KPD war nur gering; so mussten offizielle Schreiben an die Behörden oder die Handzettel für die öffentlichen Kundgebungen in Rheine verfertigt werden, weil in Lingen die Voraussetzungen dafür nicht vorhanden waren.
Die republikanische Wehrorganisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ war in Lingen 1924 gegründet worden. Ihre Anhängerschaft stammte hauptsächlich aus der SPD. Kleinere Gruppen von Mitgliedern lieferten auch der linke Zentrumsflügel und die DDP. Um bürgerliche und nichtsozialistische Mitglieder zu gewinnen, stand in Lingen von Anfang der DDP-Vorsitzende Ludwig Weinmann, Leiter des Preußischen Hochbauamtes in Lingen, an der Spitze des Reichsbanners. Sein Stellvertreter war der SPD-Vorsitzende Heinrich Melcher, Schriftführer der städtische Kriminalsekretär Niggemann, ein Zentrumsmitglied. Das Lingener Reichsbanner trat selten in der Öffentlichkeit in Erscheinung, sein Hauptgegner waren die Kommunisten. Um die personelle Basis zu verbreitern, wurde es unter Einbeziehung verschiedener örtlicher Gewerkschaftsgruppen und sozialdemokratischer Vereine im Februar 1932 in die „Eiserne Front“ umgewandelt. Im Juni/Juli 1932 war die Eiserne Front an einigen Veranstaltungen beteiligt, veranstaltete selbst auch einen Umzug durch die Stadt, doch sie erreichte nicht die von ihren Initiatoren erwünschte politische Bedeutung. Sie musste die Lingener Straßen der SA und dem deutschnationalen Stahlhelm überlassen.
In den Lokalteilen der Lingener Zeitungen spielte die sich langsam etablierende Ortsgruppe der NSDAP lange Zeit nur eine marginale Rolle. Weder wurde auf ihre Veranstaltungen hingewiesen noch wurden Anzeigen abgedruckt. In den beiden Zentrumszeitungen fand die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im überregionalen Teil statt oder durch Aufrufe der Reichspartei zum Wahlkampf. Wer im Lokalteil etwas über die Aktivitäten oder Argumente der NSDAP im Emsland oder Nordhorn erfahren wollte, suchte vergebens. Für die Zentrumszeitungen stand der Gegner links und nicht rechts. Das Lingener Kreisblatt sah sich zur Zurückhaltung gezwungen, da es den Charakter des Amtlichen Mitteilungsblattes nicht aufs Spiel setzen wollte. Ab April 1932 wich es mit einigen kleinen Anzeigen zunächst zaghaft, dann aber immer offensichtlicher von seiner bisherigen Haltung ab. In den Wochen vor der Reichtagswahl vom Ende Juli 1932 bekundete es seine Sympathie für die Nationalsozialisten immer deutlicher. Die SPD-Zeitung „Freie Presse“ aus Osnabrück widmete in ihrem Lokalteil regelmäßig den Lingener Nationalsozialisten ihre Aufmerksamkeit, jedoch in einem solch spöttischen und hämischen Ton, dass für eine argumentative Auseinandersetzung keine Ansatzpunkte blieben.
Eine klare Linie gegen die unruhigen Lingener Nationalsozialisten und ihren Führer Plesse verfolgte Bürgermeister Gilles, ein Zentrumsmann, der zugleich Polizeileiter der Stadt war. Er ließ die NSDAP-Ortsgruppe intensiv überwachen und lieferte regelmäßig detaillierte Berichte an die übergeordneten Behörden. Mehreren NS-Flugblättern versagte er die Genehmigung. Am 9. April 1932 löste der Kriminalbeamte Niggemann eine NSDAP-Veranstaltung bei Nave auf, nachdem der Gastredner Mitglieder der Regierung Brüning diffamiert und die anwesenden Polizeibeamten dadurch einzuschüchtern versucht hatte, indem er ihnen entgegenhielt, es hier herrsche wohl bei einigen die Vorstellung, dass dieses System ewig dauern würde.
Bemerkenswert ist die stark von einander abweichende Berichterstattung über diese Veranstaltung. Geschickt nutzte die NS-Presse das Vorgehen der Polizei propagandistisch aus und münzte die Niederlage gewissermaßen in einen Sieg um.
Nach den Angaben des Polizeibeamten Niggemann ging die Auflösung glatt vonstatten, da die zum Einsatz bereiten Polizeibeamten sofort im Saal erschienen, als er die Auflösung verfügt hatte. Unter der Überschrift: „Reichsbanner-Kripo löst Versammlung auf“ berichtet dagegen Rudolf Lippelt, der Kassenwart der Lingener NSDAP, in der Osnabrücker Zeitung unter anderem folgendes:
Zugleich stürzten sich Polizeiwachtmeister in den Saal, um das anwesende Bürgerpublikum zum Saale hinauszuwerfen. Der Ruf „Heil Hitler“ brauste wie ein Entrüstungsschrei aus sämtlichen Kehlen, womit alsdann die Versammlungsteilnehmer unter Absingung des „Horst-Wessel-Liedes“ in aller Ordnung den Saal verließen, angefeuert durch die „freundlichen“ Ermunterungsreden der anscheinend überreizten Polizeibeamten. Vor dem Lokal bildeten sich einzelne Gruppen, die dieses unerhörte Vorgehen der Polizei erörterten, woraufhin sofort von der Polizei der Gummiknüppel in Tätigkeit trat, wobei keine Rücksicht genommen wurde, dass gerade im gegenüberliegenden Bahnhof Züge eingetroffen waren, deren Reisende am Bahnhofshotel vorbei mussten und ebenfalls mit dem Radiergummi begrüßt wurden.
Ein SA-Mann, der die Polizei darauf aufmerksam machte, dass es nicht fair ist auf Frauen einzuschlagen und der „Deutschland erwache“ ausrief, wurde von dem obenerwähnten Herrn Niggemann mit folgenden Worten angefahren: Rufen Sie noch einmal „Deutschland erwache“ und sperre sie ein, das ist deutsch.“ ... Es ist erschütternd, dass ein Beamter, der dem Staat und dem Volke dienen soll, eine derartige Auffassung vom Deutschtum beweist, wie sie hier zutage getreten ist.“

Soweit die Ausführungen des NS-Berichterstatters. Die Selbststilisierung zum unschuldigen Opfer, die Umwertung der Begriffe und der emotionale Appell, um die eigene Märtyrer-Rolle zu betonen sind überdeutlich. Nun dürfte die NS-nahe Osnabrücker Zeitung in Lingen nur wenige Leser gehabt haben, aber andernorts wird der zitierte kurze Bericht auf Menschen, die der Weimarer Republik kritisch gegenüberstanden, seine beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt haben.

Eine totale, nicht zu beschönigende Niederlage musste die Lingener NSDAP wegen eines Flugblattes hinnehmen, das sie vor der Reichstagswahl vom November 1932 verbreitet hatte. In diesem Flugblatt war dem emsländischen Zentrumsführer Studienrat Dr. Schwenne aus Lingen vorgeworfen worden, er hätte sich als Lingener Kommunalpolitiker energisch für den Abbau von finanziellen Hilfen für Wohlfahrtsempfänger eingesetzt. Nach längeren Verhandlungen nahmen Kreisleiter Plesse und sein Parteifreund Lippelt, die als verantwortliche örtliche NS-Führer vor dem Lingener Amtsgericht in dieser Sache wegen Beleidigung und Bedrohung angeklagt waren, die unwahren Behauptungen zurück und erklärten ihr Bedauern über die im Flugblatt enthaltenen kränkenden Äußerungen. Sie mussten eine öffentliche Ehrenerklärung für Dr. Schwenne abgeben, die in der gesamten Zentrumspresse des Emslandes, zum Teil auf Kosten der beiden Beklagten, veröffentlicht wurde. Außerdem musste die Erklärung auch innerhalb einer Woche 24 Stunden lang im Schaukasten der NSDAP-Geschäftsstelle in Lingen aushängen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Lingener NSDAP sehr aktiv war, sicher weitaus aktiver als die übrigen Parteien. Ihre Mitglieder waren sehr engagiert und schreckten auch nicht vor ungewöhnlichen Aktionen zurück. So gelang es einem ihrer Mitglieder im Sommer 1932 auf dem Fabrikschornstein der Firma Klukkert am Alten Hafen eine Hakenkreuzfahne zu hissen. Sowohl in ihrem Auftreten wie auch in ihrer Programmatik war die Lingener NSDAP weniger radikal und gewalttätig als in den Großstädten. Deutlich zeigte sie ihre Ablehnung der Demokratie, ihren Antisemitismus und ihren Nationalismus, war aber bemüht, den Eindruck einer antichristlichen Partei zu vermeiden. Typisch für ihre Haltung ist der bei der erwähnten Veranstaltung vom 14. März 1931 verteilte Handzettel. „Stütze der christlichen Religionen“ heißt es da als Charakterisierung der Hitler-Bewegung. Den Angaben über den Eintrittspreis ist hingegen die Bemerkung angefügt: „Juden haben keinen Zutritt!“
Trotzdem gelingt es der NSDAP in Lingen vor 1933 nur schwer unter den Honoratioren oder der alteingesessenen Bürgerschaft aktive Anhänger zu finden. Die meisten NS-Aktivisten dieser Zeit kamen von auswärts und lebten oft erst seit kurzem in Lingen. Führenden Funktionäre wie Erich Plesse, Rudolf Lippelt, Erich Thiemer, Friedrich Würdemann und Heinrich Knacke sind dafür typische Beispiele.

Welche Erfolge kann nun die NSDAP mit dieser Außenseiterrolle bei den Wahlen verbuchen und zu wessen Lasten gehen diese?
Die hohe Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise und die sich daraus entwickelnde wirtschaftliche Notlage weiter Bevölkerungskreise werden gemeinhin als eine der Hauptursachen für die politische Radikalisierung und das Anwachsen der NSDAP bezeichnet. Aufgrund der 1932 in Lingen herrschenden hohen Arbeitslosigkeit von 19 %, die sogar noch leicht über dem Reichsdurchschnitt von 18,3 % lag, hätte man deshalb erwarten können, dass die Wahlergebnisse in Lingen mit denen auf Reichsebene weitgehend übereinstimmen würden. Dies ist jedoch eindeutig nicht der Fall.
Das Zentrum konnte bei allen Wahlen von 1930-1932 in Lingen seinen Stimmanteil von durchschnittlich 41 % behaupten. Die KPD, die während der gesamten Weimarer Republik mit der SPD um den Vorrang als stärkste Arbeiterpartei in Lingen im Wettstreit lag, konnte bei den Reichstagswahlen im November 1932 mit 17,3 % ihr bestes Ergebnis überhaupt erzielen und übertraf an diesem Wahltag die SPD, die 14,3 % erreichte, deutlich.
Die NSDAP hatte bis 1928 in Lingen bei überregionalen Wahlen nur marginale Stimmanteile erreicht. Bei der Reichstagswahl 1930 konnte sie mit 449 Stimmen, was 8,1 % entspricht, erstmals ein respektables Ergebnis verbuchen, lag damit aber noch deutlich hinter den 9,7% der KPD. Bis 1932 gelang es der NSDAP die Zahl ihrer Anhänger in Lingen fast zu verdreifachen. Bei der Wahl zum Preußischen Landtag im April 1932 und bei der Reichstagswahl im Juli des gleichen Jahres erreichte sie 1283 bzw. 1291 Stimmen, was einem Anteil von 22 % entspricht. Sie ist damit nach dem Zentrum, aber vor der SPD die zweitstärkste politische Gruppierung in der Stadt. Bei der Reichstagswahl im November 1932 erlitt die NSDAP in Lingen wie im gesamten Reichsgebiet deutliche Verluste Sie kam lediglich auf 18 % der Stimmen und lag damit nur knapp vor der KPD, die bei diesem Urnengang mit 17,3 % ihr bestes Ergebnis in Lingen erzielte und offensichtlich zahlreiche Protestwähler für sich gewinnen konnte. DDP, DVP und DHP waren 1932 in Lingen zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Zum Teil auf deren Kosten hatte sich die rechtsnationalistische DNVP bis zum November 1932 auf 4,7 % Stimmenanteil erholt.
Die radikalen antidemokratischen Parteien NSDAP und KPD nahmen in Lingen von 1930 bis Ende 1932 also deutlich zu, im Unterschied zu den Wahlergebnissen im gesamten Emsland sogar sehr deutlich. Lingen lag sowohl bei den Stimmanteilen der KPD wie auch der NSDAP im Emsland an der Spitze. Lingen war gleichermaßen KPD- und NSDAP-Hochburg im Emsland. Vergleicht man die Lingener Ergebnisse mit denen auf Reichsebene, so fällt auf, dass die KPD im Juli 1932 in Lingen den gleichen Prozentanteil an Stimmen erreichte wie im Reichsdurchschnitt, die NSDAP in Lingen aber trotz ihres starken Zuwachses ganze 15,5 % hinter ihrem Ergebnis auf Reichsebene zurückblieb. Dies bedeutet, dass die demokratischen, die Republik verteidigenden Kräfte in Lingen weiterhin über eine deutliche Mehrheit verfügten, während im Reichstag seit 1932 die republikfeindlichen Parteien die Oberhand gewonnen hatten.
Die Märzwahlen 1933 änderten an dieser Grundtendenz in Lingen wenig. Bei einer Wahlbeteiligung von 91,7 % konnte die NSDAP bei den Reichstagswahlen ihren Stimmenanteil auf 27,9 % steigern. Sie profitierte dabei vor allem vom Rückgang der KPD (- 5,2 %). Es gelang ihr also einen Teil der 1932 zur KPD gewechselten Protestwähler zu sich herüberzuziehen. Das Zentrum behauptete sich bei 39 % und hatte an Stimmen sogar noch hinzugewonnen. Die SPD erlitt nur geringe Verluste (1,3 %). Der sog. nationale Rechtsblock aus NSDAP und DNVP erhielt in Lingen etwa ein Drittel der Stimmen, während ihm auf Reichsebene der Durchbruch zur absoluten Mehrheit mit 51,9 % gelang.

Eine Woche nach der Reichstagswahl fanden Kommunalwahlen statt. In Lingen bewarben sich 8 Listen um die 21 Sitze im Bürgervorsteherkollegium, wie der Stadtrat damals genannt wurde. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 78 % erhielt die NSDAP einen Stimmanteil von 25,5 %, was 6 Sitzen im Ratsgremium entsprach. Das Zentrum blieb mit einem Stimmanteil von 32,5 und 8 Mandaten die stärkste Partei in Lingen; ihre deutlichen Verluste gegenüber der Reichstagswahl gingen auf das Konto der Liste der christlichen Gewerkschaft, die mit 7,3 % ein Mandat erringen konnten. Die Stimmanteile beider Gruppierungen ergeben zusammengezählt ziemlich genau die 40 %, mit denen das Lingener Zentrum normalerweise bei Wahlen rechnen konnte. Der NSDAP gelang also auch bei dieser letzten Wahl, bei der neben der NSDAP noch andere Parteien antreten konnten, kein Einbruch in die Wählerschaft des Zentrums. Die SPD und KPD verloren gegenüber den vorhergegangenen Wahlen deutlich, behaupteten jedoch zwei Sitze bzw. einen Sitz im Ratsgremium. Die großen Verlierer dieser Kommunalwahl waren die sog. unpolitischen Listen. Ihr Stimmanteil ging um die Hälfte zurück, weshalb ihnen drei Mandate blieben. Ihre Wähler und teilweise auch die Protestwähler der KPD hatten sich in starkem Maße der NSDAP zugewandt.

Die Wahlen im März 1933 fanden schon unter erschwerten Bedingungen statt. Durch Verordnung der Reichsregierung vom 28. Februar 1933, erlassen wenige Tage nach dem Reichstagsbrand, wurden wichtige demokratische Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Vereins- und das Versammlungsrecht außer Kraft gesetzt.
Am 2. März wurden bei Lingener Mitgliedern der KPD Hausdurchsuchungen mit Beschlagnahmung von Werbematerial durchgeführt, 2 KPD-Mitglieder wurden verhaftet. Die NSDAP hingegen konnte ungehindert ihre öffentliche Propaganda entfalten. Mitte Februar veranstaltete sie einen Deutschen Tag, bei dem sie für eine Zusammenfassung aller nationalen Kräfte zur Erneuerung Deutschlands warb. Offene Unterstützung wurde ihr im Lingener Kreisblatt zuteil, wo es hieß: „Sollte nicht auch in Lingen langsam die Erkenntnis Platz greifen, dass jeder sich dem Moskowiter-Verbrechertum zurechnen lassen muß, der am 5. März dem nationalen Rechtsblock seine Stimme versagt?“
Der Lingener Volksbote und die anderen emsländischen Zentrumszeitungen wurden massiv eingeschüchtert. Als sie Mitte Februar eine Erklärung von dreizehn katholischen Verbänden veröffentlichten, in denen „gewisse Machthaber“ als „Urheber eines nationalen Verderbens“ angeklagt wurden, verhängte Göring als preußischer Innenminister kurzerhand drei Tage Erscheinungsverbot. Zwar wurde die Verbotsverfügung noch rechtzeitig wieder aufgehoben und in eine Verwarnung umgewandelt. Die psychologische Wirkung auf die Verleger war jedoch beträchtlich.
Am 3. März wurden zur Unterstützung der Polizei 30 Hilfspolizisten für Stadt und Kreis Lingen verpflichtet – je 15 Mitglieder des Stahlhelm und der SA. Am Dienstag nach der Reichstagswahl feierte der Rechtsblock seinen Sieg, indem er auf dem Stadthaus die Hakenkreuzfahne, auf dem Historischen Rathaus die schwarz-weiße und die schwarz-weiß-rote Fahne hisste. Tadelnd merkte das Lingener Kreisblatt an, dass die Spitzen der Stadtverwaltung dabei gefehlt hätten. Zwei Tage später wurde auf den übrigen öffentlichen Gebäuden der Stadt wie Gymnasium, Behördenhaus, Postamt, Finanzamt und Landratsamt die Hakenkreuzfahne gehisst.

Als sich Ende März das neugewählte Bürgervorsteherkollegium zu seiner konstituierenden Sitzung traf, zeigten die Nationalsozialisten zunächst eine deutliche Kooperationsbereitschaft. Der Zentrumsführer Schulrat Meyer wurde wieder zum Sprecher des Kollegiums gewählt, die Magistratsposten nach bisherigem Brauch entsprechend dem Kräfteverhältnis der Fraktionen aufgeteilt.
Zur gleichen Zeit versuchte Kreisleiter Plesse durch Intervention bei den übergeordneten Regierungs- und Parteistellen das Kräfteverhältnis in der der Lingener Kommunalpolitik zugunsten der NSDAP zu verändern. Er wandte sich am 3. April 1933 schriftlich an den neuen nationalsozialistischen Regierungspräsidenten Bernhard Eggers und beklagte sich über den scharfen Kampf, dem die NSDAP in Lingen ausgesetzt sei. Er legte dem Regierungspräsidenten dar, dass zur Etablierung der Partei in Lingen unbedingt folgende fünf Männer aus ihren Ämtern entfernt werden und aus der Stadt verschwinden müssten: Der Polizeikommissar Heine, der die Partei stets drangsaliert habe, sein Vorgesetzter, der Zentrumsbürgermeister Gilles, der ein Gegner des Nationalsozialismus sei, der geistliche Studienrat Schwenne, der Vorsitzende des Zentrums im Kreis Lingen und im Emsland, Schulrat Meyer, Fraktionsführer des Lingener Zentrums und ein enger Verbündeter von Schwenne, und Regierungsrat Ludwig Weinmann, der langjährige Vorsitzende der örtlichen DDP und des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, der außerdem ein getaufter Jude und daher einer der eifrigsten Verfechter des Marxismus sei. Der Regierungspräsident reagierte prompt. Alle genannten Personen wurden umgehend beurlaubt oder aus ihren Ämtern entlassen, Kreisleiter Plesse am 6. April zum kommissarischen Bürgermeister von Lingen bestimmt. Da Bürgermeister Gilles auf Lebenszeit zum Bürgermeister ernannt war und nicht ohne weiteres abgesetzt werden konnte, inszenierten die Nationalsozialisten gegen ihn eine Diffamierungskampagne wegen Unterschlagung und Korruption. Um die Haltlosigkeit der Vorwürfe zu beweisen, beantragte Gilles ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst. Ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, wählte das inzwischen mehrheitlich nationalsozialistisch ausgerichtete Bürgervorsteherkollegium Anfang Juli 1933 gegen die Stimmen der letzten noch verbliebenen Zentrumsleute Kreisleiter Plesse zum hauptamtlichen Bürgermeister von Lingen. Um weiteren Auseinandersetzungen zu entgehen, beantragte Gilles am 19. September 1933 aus Gesundheitsgründen seine Versetzung in den Ruhestand zum 1. November 1933. Das Disziplinarverfahren wurde am 3. Januar 1934 eingestellt, ohne dass die Vorwürfe bestätigt werden konnten.
Ab Mai 1933 verfügte die NSDAP im Bürgervorsteherkollegium über die Mehrheit. Sie hatte dies dadurch erreicht, dass einige Bürgervorsteher von sich aus nicht mehr an den Sitzungen teilnahmen oder aber auf Betreiben der NSDAP ihr Mandat niederlegten.
Bei ihren Maßnahmen zur Entfernung politisch missliebiger Mitglieder der öffentlichen Verwaltung beschränkten sich die Nationalsozialisten nicht auf die leitenden Beamten. Durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums schufen sie sich eine Handhabe, um auf allen Ebenen im öffentlichen Dienst Beamte zu entlassen. In Lingen traf dies zum 15.Juli1933 aus politischen Gründen den städtischen Arbeiter Johann Többen. Ihm wurde vorgeworfen, dass er der KPD angehört habe und als deren Funktionär andauernd gegen die nationale Erneuerung aufgetreten sei. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde die Sparkassenangestellte Selma Hanauer zum 31.Juli1933 entlassen. Im Mai 1933 mussten alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung einen mehrseitigen Fragebogen über ihre arische Abstammung und bisherige politische Betätigung ausfüllen. Im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Lingen wurden alle Mitarbeiter im Oktober 1933 darauf hingewiesen, dass jede auch nur lose Beziehung zur Kommunistischen und zur Sozialdemokratischen Partei verboten sei. Von allen war eine Erklärung unterschreiben, dass sie „keine Beziehung zur Kommunistischen und zur Sozialdemokratischen Partei, ihren Hilfs- und Ersatzorganisationen und ihren Vertretern im Ausland unterhalten würden“.
Die Drohung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes oder die tatsächliche Entlassung war nur eines der Mittel, mit denen die Nationalsozialisten die Bevölkerung einzuschüchtern versuchten. Wahrend es 1931/32 - wie berichtet - in Lingen ziemlich ruhig geblieben war, kam es nach der Machtübernahme mehrfach zu tätlichen Übergriffen durch die SA. Ziele solcher Übergriffe waren sowohl die jüdischen Bürger Lingens wie auch die politischen Gegner der Nationalsozialisten.
Obwohl die Lingener Zeitungen darüber nichts berichten, müssen die reichsweiten Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte am 1. April 1933 auch in Lingen durchgeführt worden sein. Der heute in England lebende Bernhard Grünberg erinnert sich, dass damals vor der Schlachterei Silbermann, die am Bahnübergang Georgstraße in der Nähe seines Elternhauses lag, ein SA-Mann Posten stand. Am 28. Juni 1933 wurde der jüdische Viehhändler Wilhelm Heilbronn aus Lingen in der Gaststube des Hotels Nave von einem SA-Mann zusammengeschlagen und anschließend in Schutzhaft genommen. Sein „Vergehen“ war, dass er sich gegen die antisemitischen Beleidigungen des Nationalsozialisten zur Wehr gesetzt und diesen auf seinen Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg und die dabei erworbenen Auszeichnungen hingewiesen hatte.
Was nationalsozialistischer Terror bedeutete, erlebte die Lingener Bevölkerung, als am 26. März 1933 eine ca. 30 Mann starke SS-Einheit aus Wuppertal in die Stadt kam und zusammen mit der Lingener SA eine Kundgebung auf dem Marktplatz und einen Propagandamarsch durch Stadt veranstalte. Die SS- und SA-Leute drangen dabei in Privathäuser und die Geschäftsstelle der Freien Gewerkschaften (Schneewall Nr. 2) ein und beschlagnahmten schwarz-rot-goldene Fahnen, die sie abends gegen 9 Uhr auf dem Marktplatz bei einer öffentlichen Verbrennung dem Feuer übergaben. Am 8. April wurden die Büros der Christlichen Gewerkschaften (Gymnasialstraße) und der Freien Gewerkschaften von der Lingener SA vorübergehend besetzt und ein Teil der Akten beschlagnahmt. Im Rahmen der reichsweiten Zerschlagung der Gewerkschaften wurden am 4. Mai der Gewerkschaftssekretär und SPD-Vorsitzende Heinrich Melcher und drei weitere Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet. Am 8. Juli führte die Lingener SA eine Aktion gegen den Nationalen Siedlerbund durch, da dieser Anzahlungen kassiere, aber keine Siedlerstellen verschaffe. Nachdem man den Geschäftsführer Wintringer vergeblich zu finden gesucht hatte, ging die Menge – wie das Lingener Kreisblatt berichtet – „gegen den juristischen Beistand des Bundes, Rechtsanwalt Veltmann vor, holte ihn aus der Wohnung und sagte ihm auf der Straße deutlich die Meinung.“
Was die Stunde geschlagen hatte, erfuhren die Lingener Zeitungsleser nicht nur aus dem Bericht über diese Aktion, sondern auch durch die regelmäßigen Hinweise auf die im nördlichen Emsland eingerichteten Lager. So heißt es in einer kurzen Notiz am 1. Juli 1933: „In dem bei Papenburg errichteten Internierungslager sind inzwischen die ersten etwa einhundert kommunistische Schutzhäftlinge angekommen. Das Lager soll nach und nach Tausende von politischen Häftlingen aufnehmen.“ Eine Nachricht, die sowohl der Information wie auch der Einschüchterung diente!

Als Ergebnis darf ich folgendes kurz zusammenfassen:
Trotz der hohen, überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit erzielte die NSDAP nur Ergebnisse, die weit unter dem Reichsdurchschnitt lagen. Die demokratischen Kräfte, verkörpert durch das Zentrum, die SPD und geringe Reste des bürgerlichen Parteienspektrums behielten stets eine deutliche Mehrheit. Für einen beachtlichen Teil der Protestwähler war die KPD lange Zeit attraktiver als die NSDAP.
Der Stimmenanteil der NSDAP bei der Kommunalwahl im März 1933 reichte nicht aus, um in Lingen auf legalem Weg an die Macht zu kommen. Das Zentrum konnte seine Position als stärkste politische Kraft behaupten. Um in Lingen die Macht zu übernehmen, bedienten sich die Nationalsozialisten der Hilfe von außen und ungesetzlicher Machenschaften. Aus sich selbst war die Lingener NSDAP nicht zur Machtübernahme in der Lage. Die Parteiorganisation war vor den Märzwahlen von 1933 nur schwach entwickelt, die Zahl der Parteimitglieder gering.
Vor der Machtübernahme der NSDAP auf Reichsebene hielten sich die Lingener Nationalsozialisten in der politischen Auseinandersetzung vor tätlichen Übergriffen zurück. Sie versuchten, die starken Vorbehalte von Seiten des Bürgertums oder der Kirchen zu zerstreuen. Erst nach der Machtübernahme zeigte die Lingener NSDAP ihr wahres Gesicht, beschränkte sich bei ihren Übergriffen aber weitgehend auf die sozialistischen Parteien, die Gewerkschaften und die Juden. So nahm die Zahl der NSDAP-Mitglieder und Anhänger nach den Märzwahlen von 1933 auch in Lingen stark zu, was neben der Gleichschaltung des öffentlichen Lebens und der Ausschaltung der politischen Gegner ein wesentlicher Faktor für die Stabilisierung der Herrschaft der NSDAP in Lingen war.



Fotos v.o.n.u.: Stadtarchiv