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Archivalie – September 2019

Das Haus Danckelmann

Merces pietatis certa“ – Der Lohn der Frömmigkeit (oder auch: des Pflichtbewusstseins) ist gewiss. Inschrift im Hauptportal der Burgstraße 28.

Unter den Häusern der Burgstraße nimmt das Haus Danckelmann eine Sonderposition ein. Sein Bauherr ist Sylvester Danckelmann (*1601, +1679), seit 1633 oranischer Landrichter, Vizedrost und Gograf der Stadt und Grafschaft Lingen. Als Danckelmann nach Lingen kommt, steht ihm noch keine Dienstwohnung zur Verfügung. Behelfsmäßig quartiert er sich im Gasthof Roskam, der heutigen Gaststätte „Alte Posthalterei“, am Markt ein. Deshalb dürfte er sich bereits früh um die Errichtung eines Amtshauses bemüht haben.

Als die Bürgermeister am 11. Mai 1644 bestätigen, dass Sylvester Danckelmann und seine Frau Beate Derenthal mehreren Verkäufern den vereinbarten Kaufpreis für verschiedene Gartengrundstücke zwischen Burgstraße und Baccumer Straße entrichtet haben, ist das lediglich der Abschluss von zweifellos länger währenden Verhandlungen. Immerhin bestehen die Verkäufer aus nicht weniger als sieben Parteien.

Schon früh gerät Danckelmann in Streit mit dem Stadtrat. Der beschwert sich, Danckelmann würde seine Amtsbefugnisse überschreiten. Dies mag der Grund gewesen sein, dass der Drost Danckelmann das Amt des Vizedrosten 1643 entzieht und an Dr. Arnold Palthen überträgt. In der Urkunde von 1644 erscheint Danckelmann noch als Vizedrost – ein Indiz dafür, dass sie auf der Grundlage älterer Vorverträge ausgestellt wird.

Trotz des Verlustes des Vizedrostenamtes hält Danckelmann an seinen ursprünglichen Plänen fest. Er lässt sein herrschaftliches Stadthaus als Wohn- und Amtssitz auf dem angekauften Gelände errichten. 1646 ist das Haus bezugsfähig. Die Bürgermeister gestehen dem Haus den Status eines Adelssitzes zu und befreien es von Einquartierung, von Landes- und Türkensteuer sowie von Nacht- und Walldiensten.

Wenngleich der Bau des Amtssitzes – zumindest seiner ursprünglichen Intention nach – also kaum als beabsichtigter Affront gegen den Vizedrosten gesehen werden kann, so stehen Danckelmann und Palthen durchaus in Konkurrenz zueinander. Das mit der Ernennung Palthens erforderlich gewordene eigene Amtshaus des Vizedrosten ist weitaus weniger repräsentativ als das des Richters Danckelmann.

Und obwohl der Drost gegenüber Danckelmann weisungsbefugt ist, werden die von Palthen entsprechend beanspruchten Aufsichtsrechte über Danckelmann 1647 in Den Haag zurückgewiesen. In Konkurrenz steht Danckelmann nach wie vor auch zum Stadtrat. Das neues Amtshaus erlaubt es ihm, die gewöhnlich im Alten Rathaus unter dem Beisitz der Bürgermeister stattfindenden Gerichtssitzungen fortan hier und mit eigenen Beisitzern abzuhalten. 1662 wird er aus dem Amt entlassen.

Mit Danckelmanns Tod 1679 in Lingen dürfte das Haus an seinen Sohn Thomas Ernst von Danckelmann (*1638) gefallen sein, der zwei Jahre später zum Richter ernannt wird. 1705 wird ihm – inzwischen alt und gebrechlich – sein ältester Sohn Silvester Diedrich von Danckelmann im Richteramt adjungiert, der ihm nach seinem Tod 1709 im Amte nachfolgt.

Unter ihm erfolgt wohl um 1717 die Umgestaltung des Gebäudes im Sinne des Barock. Auch die Toranlage mit dem von einem Löwen gehaltenen Wappenschild entsteht nun. 1727 wird erstmals ein Stall auf dem Grundstück erwähnt. 1733 erscheint parallel dazu ein Nebenhaus, bei dem es sich um das 1728 errichtete Wirtschaftsgebäude handeln dürfte. Die Ehe bleibt kinderlos, und so erlischt die Lingener Linie der Familie Danckelmann mit dem Tod Silvester Diedrichs im Jahre 1738.

Das Haus jedoch bleibt im Besitz der Familie, die es offenbar weiterhin der Regierung zur Verfügung stellt. So wohnt hier 1748 der Geheime Oberfinanzrat und Commissaire en Chef Freiherr von der Horst, später zieht Johann Michael von Loen, der 1752/53 das Amt des Regierungspräsidenten übernimmt, gemeinsam mit seiner Familie ein. Am 28. April 1769 verkaufen es die Erben Danckelmann – Cecilie Charlotte von der Osten geb. von Danckelmann und Marie Wilhelmine von Canstein geb. Danckelmann – für 3500 Reichstaler an den preußischen Domänenfiskus.

Das Gebäude firmiert fortan als Königlich Preußisches Kollegienhaus. In der mittleren Etage sind fortan die beiden Kollegien untergebracht. Die Regierung mit doppelter Zuständigkeit für Verwaltung und Rechtsprechung – bestehend aus einem Direktor und drei Räten, ferner einem Sekretär, einem Kopisten, einem Pedell und natürlich einem Archivar – tritt hier dreimal in der Woche zusammen.

Von 1769 bis 1793 besteht parallel eine eigene Lingen-Tecklenburgische Kammerdeputation. Zu ihr gehören ein Direktor, sechs Räte, ein Landesbaumeister und ein Oberjäger, dem drei Unterförster zugeordnet sind. Auch die Kammerdeputation tritt dreimal wöchentlich im Kollegienhaus zusammen. Das Hochparterre hingegen ist als Wohnung für den Kammerpräsidenten vorgesehen. Da der jedoch nur gelegentlich in Lingen weilt, wird die Wohnung gewöhnlich dem in Lingen wohnenden Regierungsbeamten überlassen. Zeitweilig nehmen auch die Kammerpräsidenten Freiherr von Stein und Freiherr von Vincke hier Quartier.

1807 wird Lingen an Frankreich abgetreten. Napoleon schlägt Lingen 1808 dem Großherzogtum Berg zu. Auch der Großherzog-Bergische Oberpräsident verzichtet auf sein Wohnrecht. 1811 wird die Stadt dann dem Departement Oberems eingegliedert und ist damit Teil des französischen Kaiserreichs. Die kaiserlich französische Verwaltung beansprucht das Haus nun ganz für die Justiz.

In Hannoverscher Zeit wird der Barockgarten gerodet und ein Gefangenenhaus oder Arrestlokal errichtet. 1852 entsteht im Zuge einer neuen Gerichtsorganisation das Amtsgericht Lingen. Kurz nach 1900 wird zur Burgstraße hin ein Eingang geschaffen, jedoch im Zuge von Restaurierungsarbeiten 1969/71 wieder geschlossen. Nun wird im Garten auch ein neuer dreigeschossiger Verwaltungstrakt errichtet und durch einen eingeschossigen Flachbau mit dem Haupthaus verbunden. Die Toranlage hingegen wird zurückgesetzt. Das Amtsgericht hat hier noch heute seinen Sitz.

Quellen und Literatur

  • Stadtarchiv Lingen, Altes Archiv, Nr. 248.
  • Stadtarchiv Lingen, Fotosammlung, Nr. 2679, Nr. 2757.
  • Hanschmidt, A.: Die Grafschaft Lingen und Brandenburg-Preußens Expansion nach Westen, in: Emsländische Geschichte 13 (2006), S. 425-440.
  • Hilkenbach, F.: Das Haus Danckelmann in Lingen und seine Bewohner, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 19 (1972), S. 63-64.
  • Köster, B.: Lingen. Architektur im Wandel. Von der Festung zur Bürger- und Universitätsstadt bis zur Industriestadt (bis um 1930), München 1988.
  • Remling, L.: Stadtgeschichtliche Aspekte der Erbauung des sogenannten Danckelmann-Palais in Lingen, in: Emsländische Geschichte 25 (2018), S. 498–509.
  • Nöldeke, A.: Die Kunstdenkmäler des Kreises Lingen und der Grafschaft Bentheim, Osnabrück 1974.
  • Schnellen, B.: Goethes Großonkel im Emsland, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 19 (1972), S. 65-70.
  • Taubken, H.: Niederdeutsch - Niederländisch - Hochdeutsch. Die Geschichte der Schriftsprache in der Stadt und in der ehemaligen Grafschaft, Köln 1981.
  • Weddigen, P. F.: Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Tecklenburg und Lingen, in: Remling, L. (Hg.): Aus der Geschichte Lingens und des Lingener Landes, Lingen 1989, S. 15-29.


Fotos v.o.n.u.: Stadtarchiv, Stadtarchiv, Stadtarchiv