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Elbeuf sur Seine (Frankreich): Ein Mann, viele Worte

Die Stadt Lingen und ihre Partnerstädte – fünf Länder, fünf Geschichten, eine Gemeinschaft
Für Adnen Marzouk ist die Sprache das A und O.

Mit fünf europäischen Städten führt die Stadt Lingen seit vielen Jahren in enger Verbundenheit Städtepartnerschaften. Darunter Elbeuf sur Seine in Frankreich, Burton upon Trent in England, Bielawa in Polen, Marienberg in Deutschland und Salt in Spanien. So individuell wie die Länder und Städte selber sind auch die Geschichten über die jahrelangen Freundschaften ihrer Bewohner untereinander.

In einer Entfernung von 756 Kilometern liegt Elbeuf sur Seine. Seit dem 15. Mai 2004 verbindet die französische Stadt eine Partnerschaft mit Lingen. Und genauso lange zieht es die Einwohner der beiden Städte in die jeweils andere Partnerstadt, um die entstandenen Freundschaften in Gemeinschaft zu zelebrieren. Das wichtigste Werkzeug der Völkerverständigung ist dabei die Sprache.

Verbindungen über die Sprache

„Kennst du viele Sprachen – hast du viele Schlüssel für ein Schloss.“ Schon Voltaire war sich vor fast 300 Jahren der Bedeutung der gesprochenen Kultur bewusst. Auch Adnen Marzouk würde das Zitat des französischen Philosophen ohne Zögern unterschreiben. Der in Tunesien geborene Lingener ist wohl das, was man ein Sprachentalent nennt. Beherrscht neben Englisch, Arabisch und Deutsch auch fließend Französisch. Darüber hinaus Fragmente von Plattdeutsch, Italienisch und Spanisch. Doch fernab fehlerfreier Übersetzung, Grammatik und weitreichendem Vokabular liegt dem 51-Jährigen vor allem eines. Er schafft es, die tiefgreifendere Bedeutung von Worten zu verstehen. Und damit die Verbindung, die diese zwischen Menschen auf der ganzen Welt entstehen lassen.

Emotionaler Übersetzungsmarathon

Als Dolmetscher bei den Begegnungen zwischen den Einwohnern der beiden Partnerstädte Lingen und Elbeuf sur Seine stellt Marzouk seine Fähigkeiten seit vielen Jahren unter Beweis. Diese waren mehr als gefragt. So vertraut wie heute war die Verbindung zwischen den Franzosen und den Deutschen nicht von Anfang an. „Beim ersten Besuch 2004 der Lingener Delegation in Frankreich waren die Franzosen sehr skeptisch“, berichtet Marzouk. Die Erinnerung der Begebenheiten aus dem Zweiten Weltkrieg gingen vielen Älteren auch nach all den Jahren nicht aus dem Kopf. „Wir haben uns zusammengesetzt. Ganz gemütlich, bei schönem Essen und Trinken. Das vereinfacht die Sache am besten“, weiß der gebürtige Tunesier. Danach – und dem einen oder anderen Aperitif – habe man sich auf eines geeinigt: Wem etwas auf dem Herzen liegt, soll dies ansprechen. „Das war damals sehr stressig“, erinnert sich der Reisebegleiter. Rege Gespräche auf Französisch entwickelten sich. Ein regelrechter Übersetzungsmarathon begann. „Die Unterhaltungen wurden im Verlauf immer emotionaler. Für mich bedeutet das, besondere Vorsicht. Ein falsch übersetztes Wort kann schwer wiegen.“ Das Eis jedoch war nach diesem intensiven Abend gebrochen.

„Sprache ist das A und O"

Wieder einmal zeigte sich für Adnen Marzouk: „Sprache ist das A und O. Wer sich mit Sprache auskennt, kann alle Barrieren brechen.“ Gerade in Elbeuf sei es immer wichtig gewesen, dass man einander zuhört, auf Fragen auch Antworten bekommt. Um das zu gewährleisten und die Partnerschaft gleichfalls zu intensivieren, wurde vor allem Wert darauf gelegt, der jüngeren Generation auf beiden Seiten den internationalen Gedanken durch den Austausch untereinander mitzugeben. Sie für die Welt und die Sprache zu öffnen. Eine Erinnerung bewegt Adnen Marzouk deshalb nach wie vor ganz besonders. Bei der zweiten Reise der Lingener Delegation fuhren auch die drei kleinen Töchter eines Arztes mit. Die 13 Stunden im Bus nutzten diese gemeinsam mit Marzouk, um einige Wörter Französisch zu lernen und eine kleine Rede vorzubereiten. Im Saal in Elbeuf angekommen, traute sich schließlich eines der Mädchen das Mikrofon zu ergreifen und die Teilnehmer des Austausches auf Französisch zu begrüßen. „Nachher hat es keinen mehr auf seinem Stuhl gehalten. Alle haben geklatscht. Das ist Völkerverständigung“, betont der 51-Jährige, der heute noch eine Gänsehaut bekommt, wenn er an diesen besonderen Moment denkt.

Die Partnerschaft über all die Jahre verbucht Adnen Marzouk für sich persönlich als vollen Erfolg: „Vielleicht unterscheidet uns Menschen die Kultur und die Denkweise. Im Herzen sind wir aber alle gleich. Der Austausch untereinander ist sehr wichtig. Und nur durch die Sprache können wir Verständnis füreinander entwickeln.“



Artikeldatum: 13. January 2021
Fotos v.o.n.u.: Stadt Lingen, k.A., k.A., k.A.